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Die Chroniken von Centrum: Gesamtausgabe


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Informationen zum Buch
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Rezension von

Frank Drehmel

Die Chroniken von Centrum: Gesamtausgabe Juan ist ein Frettchen. So werden in einer zukünftigen Epoche jene Menschen genannt, die in der mehr als eine Milliarde Einwohner zählenden Megapolis Centrum im Auftrag des Volksministeriums pro Anno eine Million zufällig ausgewählte Bürger auf offener Straße liquidieren, um der Überbevölkerung Herr zu werden. Und Juan ist der beste dieser staatlich sanktionierten Killer. Er erledigt seine Arbeit zuverlässig, kreativ und vollkommen emotionslos. Hin und wieder erscheinen ihm zwar die Delinquenten im Traum, aber das stellt ihn vor keine großen Probleme, denn Alkohol schenkt ihm Vergessen. Eines Tages taucht ein alter Kollege aus früherer Zeit namens Steranko in Juans Wohnung auf, um dem Killer von einem ungeheuerlichen Verdacht bezüglich der Todeslotterie und der Liquidationen zu berichten. Allerdings nimmt das Gespräch nicht den Verlauf, den sich Steranko erhofft: Juan richtet ihn unvermittelt hin! Die Saat des Zweifels ist jedoch gesät. Ein paar Tote und einige quälende Erinnerungen später treibt diese Saat Früchte. Als seine Freundin auf der Liste der zu liquidierenden Zielpersonen auftaucht, beschließt Juan, in das Ministerium einzudringen, um einer möglichen Verschwörung auf die Schliche zu kommen. Zunächst gilt es daher, den in seinen Nacken implantierten Mikrosender loszuwerden, was der offiziellen Diktion nach auf Grund des neuronalen Schocks seinen Tod zur Folge haben sollte und dann muss er – falls er die Prozedur überlebt – in eine schier uneinnehmbare, schwer bewachte Festung eindringen. Das vorliegende Hardcover umfasst als Gesamtausgabe die drei Einzelbände „Le travail du Furet“ (2004), „Le furet et la colombe“ (2005) und „Le Furet montre les dents“ (2007), in welchen Andrevon versucht, eine dystopische, düstere Welt zu entwerfen. Dass der Autor mit seinem Entwurf letztendlich mit Pauken und Trompeten scheitert, hat zwei Gründe. Erstens mangelt es der Story an einer originellen Idee: der Grundplot, in einer Welt totaler Überwachung gesellschaftlichen Problemen durch das Exekutieren von Bürgern Herr zu werden, erinnert den Science Fiction erfahrenen Leser sofort an Roman- und/oder Film-Highlights wie „Logans Run“, „Soylent Green“ oder „1984“. Andrevons schöpferischer Beitrag besteht im Wesentlichen darin, den abgekupferten Konzepten einen härteren, einen schmutzigeren Anstrich zu verleihen. Bedauerlicherweise fällt ihm hierzu jedoch nicht viel mehr ein, als eine öde Aneinandereihung von Leichen. Zehn inhaltlich breitgetretene reguläre Exekutionen und zahlreiche Collateral-Tote sind einfach viel zu viel, um nicht langweilig zu sein. Zweitens ist der Grundplot an sich unglaubwürdig. Dem Autor gelingt nicht, eine in sich schlüssige Dystopie zu entwerfen und darzulegen, wie eine Gesellschaft, der legalisierter Mord quasi systemimmanent ist, überhaupt funktionieren kann, geschweige denn eine hinreichende Stabilität aufweist, um nicht in einem Chaos von Gewalt und Gegengewalt zu versinken. Als besonders fragwürdig erweist sich der Ansatz, dass die Exekutionen jederzeit jeden Bürger treffen können – dieses wird zwar später etwas relativiert, bleibt aber dennoch ein systembestimmendes Merkmal -, also auch Menschen mit herausragender gesellschaftlicher Bedeutung, ökonomische Entscheidungsträger, brilliante Forscher oder einfach engagierte Bürger. Eine grundlegende Prämisse für das Funktionieren eines solchen Systems wäre also, dass individuelles Wissen und individuelle Fähigkeiten völlig bedeutungslos sind, dass jeder jederzeit in seiner gesellschaftlichen Funktion ersetzbar ist und dass der Verlust an Know How in kürzester Zeit verlustfrei durch das System kompensiert werden kann. Allein: solche Überlegungen stellt Andrevon nicht an; stattdessen liegt sein erzählerischer Schwerpunkt auf plakativer und vordergründiger Gewalt. Das Artwork Khaleds ist im Vergleich zur Story faszinierend, wenn auch nicht makellos. Zunächst gelingt ihm auf eindrucksvolle Weise die Visualisierung einer schmutzigen Erde, die mit ihren düsteren Farben, dem ständigen Regen, der betont imposanten und zugleich kalten, funktionalen Architektur an Ridley Scotts filmisches SF-Meisterwerk „Blade Runner“ erinnert. Im Gegensatz zu den schweren, bedrückenden Hintergründen fallen die Figuren mit ihren klaren, fast toonhaften Umrissen leicht und ephemer aus. Ob Khaled nun bewusst mit diesem Gegensatz spielt, sei dahingestellt; auf jeden Fall spiegelt sich in der grafischen Flüchtigkeit der Charaktere ihr vergänglicher Status in der zukünftigen Gesellschaft wider. Kleinere – unerhebliche - Schwächen treten in den dem Künstler hin und wieder entgleitenden Proportionen der Figuren zu Tage sowie in der relativ statischen Inszenierung vieler Actionsequenzen, welche nicht zuletzt auch der konventionellen Panel-Anordnung geschuldet ist. Fazit: Die wenig originelle und unplausible Dystopie wird von Afif Khaled so gekonnt in düstere, atmosphärisch dichte Bilder gebannt, dass man geneigt ist, über die gravierenden Schwächen der Story hinweg zu sehen. Wer auf eine gute Geschichte Wert legt, sollte sich woanders umsehen; wem ein ausdrucksstarkes Artwork reicht, der kann bedenkenlos zugreifen.

Juan ist ein Frettchen. So werden in einer zukünftigen Epoche jene Menschen genannt, die in der mehr als eine Milliarde Einwohner zählenden Megapolis Centrum im Auftrag des Volksministeriums pro Anno eine Million zufällig ausgewählte Bürger auf offener Straße liquidieren, um der Überbevölkerung Herr zu werden. Und Juan ist der beste dieser staatlich sanktionierten Killer. Er erledigt seine Arbeit zuverlässig, kreativ und vollkommen emotionslos. Hin und wieder erscheinen ihm zwar die Delinquenten im Traum, aber das stellt ihn vor keine großen Probleme, denn Alkohol schenkt ihm Vergessen.

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Eines Tages taucht ein alter Kollege aus früherer Zeit namens Steranko in Juans Wohnung auf, um dem Killer von einem ungeheuerlichen Verdacht bezüglich der Todeslotterie und der Liquidationen zu berichten. Allerdings nimmt das Gespräch nicht den Verlauf, den sich Steranko erhofft: Juan richtet ihn unvermittelt hin! Die Saat des Zweifels ist jedoch gesät.

Ein paar Tote und einige quälende Erinnerungen später treibt diese Saat Früchte. Als seine Freundin auf der Liste der zu liquidierenden Zielpersonen auftaucht, beschließt Juan, in das Ministerium einzudringen, um einer möglichen Verschwörung auf die Schliche zu kommen. Zunächst gilt es daher, den in seinen Nacken implantierten Mikrosender loszuwerden, was der offiziellen Diktion nach auf Grund des neuronalen Schocks seinen Tod zur Folge haben sollte und dann muss er – falls er die Prozedur überlebt – in eine schier uneinnehmbare, schwer bewachte Festung eindringen.

Das vorliegende Hardcover umfasst als Gesamtausgabe die drei Einzelbände „Le travail du Furet“ (2004), „Le furet et la colombe“ (2005) und „Le Furet montre les dents“ (2007), in welchen Andrevon versucht, eine dystopische, düstere Welt zu entwerfen. Dass der Autor mit seinem Entwurf letztendlich mit Pauken und Trompeten scheitert, hat zwei Gründe.

Erstens mangelt es der Story an einer originellen Idee: der Grundplot, in einer Welt totaler Überwachung gesellschaftlichen Problemen durch das Exekutieren von Bürgern Herr zu werden, erinnert den Science Fiction erfahrenen Leser sofort an Roman- und/oder Film-Highlights wie „Logans Run“, „Soylent Green“ oder „1984“. Andrevons schöpferischer Beitrag besteht im Wesentlichen darin, den abgekupferten Konzepten einen härteren, einen schmutzigeren Anstrich zu verleihen. Bedauerlicherweise fällt ihm hierzu jedoch nicht viel mehr ein, als eine öde Aneinandereihung von Leichen. Zehn inhaltlich breitgetretene reguläre Exekutionen und zahlreiche Collateral-Tote sind einfach viel zu viel, um nicht langweilig zu sein.

Zweitens ist der Grundplot an sich unglaubwürdig. Dem Autor gelingt nicht, eine in sich schlüssige Dystopie zu entwerfen und darzulegen, wie eine Gesellschaft, der legalisierter Mord quasi systemimmanent ist, überhaupt funktionieren kann, geschweige denn eine hinreichende Stabilität aufweist, um nicht in einem Chaos von Gewalt und Gegengewalt zu versinken. Als besonders fragwürdig erweist sich der Ansatz, dass die Exekutionen jederzeit jeden Bürger treffen können – dieses wird zwar später etwas relativiert, bleibt aber dennoch ein systembestimmendes Merkmal -, also auch Menschen mit herausragender gesellschaftlicher Bedeutung, ökonomische Entscheidungsträger, brilliante Forscher oder einfach engagierte Bürger. Eine grundlegende Prämisse für das Funktionieren eines solchen Systems wäre also, dass individuelles Wissen und individuelle Fähigkeiten völlig bedeutungslos sind, dass jeder jederzeit in seiner gesellschaftlichen Funktion ersetzbar ist und dass der Verlust an Know How in kürzester Zeit verlustfrei durch das System kompensiert werden kann. Allein: solche Überlegungen stellt Andrevon nicht an; stattdessen liegt sein erzählerischer Schwerpunkt auf plakativer und vordergründiger Gewalt.

Das Artwork Khaleds ist im Vergleich zur Story faszinierend, wenn auch nicht makellos. Zunächst gelingt ihm auf eindrucksvolle Weise die Visualisierung einer schmutzigen Erde, die mit ihren düsteren Farben, dem ständigen Regen, der betont imposanten und zugleich kalten, funktionalen Architektur an Ridley Scotts filmisches SF-Meisterwerk „Blade Runner“ erinnert. Im Gegensatz zu den schweren, bedrückenden Hintergründen fallen die Figuren mit ihren klaren, fast toonhaften Umrissen leicht und ephemer aus. Ob Khaled nun bewusst mit diesem Gegensatz spielt, sei dahingestellt; auf jeden Fall spiegelt sich in der grafischen Flüchtigkeit der Charaktere ihr vergänglicher Status in der zukünftigen Gesellschaft wider. Kleinere – unerhebliche - Schwächen treten in den dem Künstler hin und wieder entgleitenden Proportionen der Figuren zu Tage sowie in der relativ statischen Inszenierung vieler Actionsequenzen, welche nicht zuletzt auch der konventionellen Panel-Anordnung geschuldet ist.

Fazit: Die wenig originelle und unplausible Dystopie wird von Afif Khaled so gekonnt in düstere, atmosphärisch dichte Bilder gebannt, dass man geneigt ist, über die gravierenden Schwächen der Story hinweg zu sehen. Wer auf eine gute Geschichte Wert legt, sollte sich woanders umsehen; wem ein ausdrucksstarkes Artwork reicht, der kann bedenkenlos zugreifen.

geschrieben am 10.04.2009 | 708 Wörter | 4434 Zeichen

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