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Was davor geschah


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Rezension von

Ragan Tanger

Was davor geschah Akkurat unnötig und deswegen großartig Der Mann mit der reaktionären Gesinnung, der Schriftsteller, der wenig stilvoll, dafür aber umso affektierter schreibe (so seine Kritiker), also er, der von Golo Mann einst geförderte junge Autor scheint endlich erwachsen und ansatzweise auch anpassend geworden zu sein. Martin Mosebach, bislang wahrscheinlich nur Literaturkennern oder politisch-religiösen Exzentrikern ein Begriff hat mit seinem neuesten Roman, Was davor geschah, das erste Mal die Beletage der deutschen Literaturkritik für sich gewonnen. Karasek im Hamburger Abendblatt schwärmt in höchsten Tönen, aber auch all die anderen Richter in FAZ, Süddeutsche oder Spiegel sind voll des Lobes über einen Autor, den bislang niemand so recht auf der Rechnung hatte. Der mit seinem grammatikalischen Missbildungen und überzogenen Sprachverzierungen bislang belächelt und verspottet wurde. Nun also der große Wurf, der gerechterweise auch en passant als Hörbuch veröffentlicht wird. Zunächst zum bisher schon so hoch gelobten Inhalt. Mosebach bleibt seinem nicht immer normalverträglichen Erzählstil treu, nutzt dieses Mal aber gekonnt die Kraft seiner Worte, und zeichnet Bilder von Personen, Gesellschaften und von den einfachsten trivialen Gegenständen in moderner Schönheit; mit einem guten Auge für das Zeitgefühl und mit Passagen voller Intensität und Lebenslust. Weder den Namen der Hauptperson erfährt der Leser, noch klare, größere Zusammenhänge: alles konkretisiert sich auf einen kleinen Personenkreis, der um die gehobene Frankfurter Familie Hopsten kreist. Wochenendhäuschen im Taunus mit ausschweifenden Nobelorgien, Familienresidenz in Frankfurt, Dekadenz und Dummheit, Geld und Macht, Liebe und Sex: die alltäglichen Ingredienzien, die die obersten Zehntausend noch Immer ausmachen. Und Mosebach ist nah am Puls, verbindet in seinem Roman das Leben und Denken des einfachen Bürgers mit dem des Besitzenden. Warum? Weil es, das zeigt schon die Einstiegssequenz, um so banale Themen wie Eifersucht geht. Mit wem warst du denn vorher zusammen, will die frisch Verliebte von ihrem neuen Herzmann wissen. Kennen wir solch unangenehme Situationen nicht alle? Dass Mosebach den Heimito-von-Doderer-Preis einst entgegen nehmen durfte, hat ihn vielleicht zusätzlich inspiriert. Dessen berühmt gewordener Wortwitz, die geballte Ironie und die Verschachtelung genealogischer Zusammenhänge sind Teil des Mosebachschen Oeuvres. Krude Namensgebungen (Phoebe Hopsten, Marguerite Simserl) oder Verbindungslinien einzelner Personen, die ins Nichts zu zeigen scheinen und sich dann irgendwann im Buch wieder finden, gehören einfach dazu. Der ganz normale Wahnsinn eben im Herz der hessischen Finanzmetropole, aus der der Autor stammt und in der er seit seiner Geburt selbst das Dasein genießt. Warum auch diese Geschichte dort wieder spielt? Damit ich nicht so viel recherchieren muss, laute Mosebachs ehrliche wie pragmatische Antwort. Und: dieses Insiderwissen tut dem Buch gut, auch die vier Seiten Abhandlung über den Kakadu, das Haustier der Familie Hopsten, sind akkurat unnötig und deswegen großartig. Kaminski on Air, so die Live-Hörspiel-Reihe, die Stefan Kaminski in deutschen Theatern seit einigen Jahren zum Besten gibt, wird von Fachleuten wie Fans mehr als geschätzt. Auf neuartige Weise werden bekannte Geschichten neu interpretiert, immer komisch, häufig berührend, gerne rasant. Der 1974 in Dresden geborene studierte Schauspieler macht auch aus diesem tollen Roman ein großartiges Hörspiel. Vor allen Dingen, weil er den Helden dieser Geschichte, den großen Unbekannten, perfekt verkörpert; nach wenigen Minuten ist er es selbst, seine klare und wohlbedachte Intonation unterstreichen die Kunstfertigkeit seines Könnens, aber auch den gekonnten Sprachstil des Originals. Mosebach und Kaminski: zusammen unschlagbar – ein unwiderstehlich gutes Hörbuch, das sie goutieren müssen, um zu wissen, was davor geschah und demnächst geschehen wird.

Akkurat unnötig und deswegen großartig

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Der Mann mit der reaktionären Gesinnung, der Schriftsteller, der wenig stilvoll, dafür aber umso affektierter schreibe (so seine Kritiker), also er, der von Golo Mann einst geförderte junge Autor scheint endlich erwachsen und ansatzweise auch anpassend geworden zu sein. Martin Mosebach, bislang wahrscheinlich nur Literaturkennern oder politisch-religiösen Exzentrikern ein Begriff hat mit seinem neuesten Roman, Was davor geschah, das erste Mal die Beletage der deutschen Literaturkritik für sich gewonnen. Karasek im Hamburger Abendblatt schwärmt in höchsten Tönen, aber auch all die anderen Richter in FAZ, Süddeutsche oder Spiegel sind voll des Lobes über einen Autor, den bislang niemand so recht auf der Rechnung hatte. Der mit seinem grammatikalischen Missbildungen und überzogenen Sprachverzierungen bislang belächelt und verspottet wurde.

Nun also der große Wurf, der gerechterweise auch en passant als Hörbuch veröffentlicht wird. Zunächst zum bisher schon so hoch gelobten Inhalt. Mosebach bleibt seinem nicht immer normalverträglichen Erzählstil treu, nutzt dieses Mal aber gekonnt die Kraft seiner Worte, und zeichnet Bilder von Personen, Gesellschaften und von den einfachsten trivialen Gegenständen in moderner Schönheit; mit einem guten Auge für das Zeitgefühl und mit Passagen voller Intensität und Lebenslust. Weder den Namen der Hauptperson erfährt der Leser, noch klare, größere Zusammenhänge: alles konkretisiert sich auf einen kleinen Personenkreis, der um die gehobene Frankfurter Familie Hopsten kreist.

Wochenendhäuschen im Taunus mit ausschweifenden Nobelorgien, Familienresidenz in Frankfurt, Dekadenz und Dummheit, Geld und Macht, Liebe und Sex: die alltäglichen Ingredienzien, die die obersten Zehntausend noch Immer ausmachen. Und Mosebach ist nah am Puls, verbindet in seinem Roman das Leben und Denken des einfachen Bürgers mit dem des Besitzenden. Warum? Weil es, das zeigt schon die Einstiegssequenz, um so banale Themen wie Eifersucht geht. Mit wem warst du denn vorher zusammen, will die frisch Verliebte von ihrem neuen Herzmann wissen. Kennen wir solch unangenehme Situationen nicht alle?

Dass Mosebach den Heimito-von-Doderer-Preis einst entgegen nehmen durfte, hat ihn vielleicht zusätzlich inspiriert. Dessen berühmt gewordener Wortwitz, die geballte Ironie und die Verschachtelung genealogischer Zusammenhänge sind Teil des Mosebachschen Oeuvres. Krude Namensgebungen (Phoebe Hopsten, Marguerite Simserl) oder Verbindungslinien einzelner Personen, die ins Nichts zu zeigen scheinen und sich dann irgendwann im Buch wieder finden, gehören einfach dazu. Der ganz normale Wahnsinn eben im Herz der hessischen Finanzmetropole, aus der der Autor stammt und in der er seit seiner Geburt selbst das Dasein genießt. Warum auch diese Geschichte dort wieder spielt? Damit ich nicht so viel recherchieren muss, laute Mosebachs ehrliche wie pragmatische Antwort. Und: dieses Insiderwissen tut dem Buch gut, auch die vier Seiten Abhandlung über den Kakadu, das Haustier der Familie Hopsten, sind akkurat unnötig und deswegen großartig.

Kaminski on Air, so die Live-Hörspiel-Reihe, die Stefan Kaminski in deutschen Theatern seit einigen Jahren zum Besten gibt, wird von Fachleuten wie Fans mehr als geschätzt. Auf neuartige Weise werden bekannte Geschichten neu interpretiert, immer komisch, häufig berührend, gerne rasant. Der 1974 in Dresden geborene studierte Schauspieler macht auch aus diesem tollen Roman ein großartiges Hörspiel. Vor allen Dingen, weil er den Helden dieser Geschichte, den großen Unbekannten, perfekt verkörpert; nach wenigen Minuten ist er es selbst, seine klare und wohlbedachte Intonation unterstreichen die Kunstfertigkeit seines Könnens, aber auch den gekonnten Sprachstil des Originals. Mosebach und Kaminski: zusammen unschlagbar – ein unwiderstehlich gutes Hörbuch, das sie goutieren müssen, um zu wissen, was davor geschah und demnächst geschehen wird.

geschrieben am 12.05.2011 | 551 Wörter | 3403 Zeichen

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