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Wolkenfern


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Informationen zum Buch
  ISBN
  Autor
  Verlag
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  Seiten
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  Extras

Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Wolkenfern Zum einen würde man den Roman besser verstehen, wenn man das Vorgängerwerk „Sandberg“ schon gelesen hat. Angesichts der Vielzahl der Handlungsstränge und vorkommenden Personen halte ich dies für einen Konstruktionsfehler, denn ein Roman sollte für sich genommen gut und zu verstehen sein. Des Weiteren gibt es zwar bestimmte Themen und Tendenzen, die sich durch das Buch ziehen - z.B. die Selbstbestimmung einer Person, deren Sicht auf die Welt und ihr Umgang mit den jeweiligen Umständen, dazu Bindung, Verständnis und Liebe innerhalb der Familie, vor allem zwischen Mutter und Tochter, sowie schließlich die Suche nach einem Sinn im Leben -, aber insgesamt wird nicht so recht klar, worauf die Autorin eigentlich hinauswill. Denn es hätte, um das Schicksal der handelnden Frauen in diesem Buch auszugestalten und zu erklären, nicht so vieler Nebenstränge bedurft, die man sich ohnehin kaum merken kann, selbst wenn sie alle irgendwie ein bisschen miteinander verwoben wurden, sodass man den Eindruck bekommt, alle Polen würden sich, wenn sie mal ins Ausland gehen, auf jeden Fall einmal in New York oder London über den Weg laufen. Des Weiteren sind mir die Hauptcharaktere zu unbestimmt gezeichnet. Das mag zwar der Art und möglicherweise auch eigenen Erfahrung der Autorin entsprechen, aber für die Identifikation des Lesers mit einem Roman ist es nicht allzu schlecht, wenn die Protagonistin, hier die junge Polin Dominika Chmura, Charaktereigenschaften aufweist, mit denen man sich annähernd anfreunden kann. Hier ist sie mir aber zu gelassen, zu abgebrüht, zu unabhängig in ihren jungen Jahren, um wirklich glaubhaft zu sein. Auch die Damen Grazynka, Sara und noch andere wirken einfach zu oft wie nicht von dieser Welt. Man mag hier einwenden, dass die Autorin selbst so ein rastloses und unstetes Leben geführt hat, aber im Gegensatz zu Dominika Chmura immer von einem beruflichen Ehrgeiz getrieben. Schließlich ist es auch schade, dass der Titel „Wolkenfern“ zwar ein paar Mal im Buch vorkommt, aber man nicht so wirklich versteht, was diese Übersetzung soll. Der polnische Titel „Chmurdalia“ ist da ein wesentlich witzigeres Wortspiel, denn das Wort Chmura heißt Wolke, so auch die Protagonistin, und man hätte sich eher einen Titel überlegen können, der nicht zum Bild einer verträumten Person führen, sondern eher auf das rastlose, stets in Bewegung seiende Wesen Dominikas abzielen würde. Wohlgemerkt: dies sind persönliche Eindrücke, warum mir das Buch letzten Endes nicht zu 100% gut gefallen hat, aber keine handwerkliche Kritik an dem Roman, dies mag jeder selbst für sich beurteilen. Die Geschichte spielt, wie in bisher allen Romanen von Bator, im schlesischen Wałbrzych. Dessen Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg und die Gefühle und Verhaltensweisen der Bewohner, die sich nach den Deutschen dort angesiedelt haben, sind ein tragendes Moment der Geschichte, ebenso die starken Frauencharaktere, die dort das Leben meistern mussten, während die Männer unter Tage oder sonstwo arbeiteten und nach Wegfall der traditionellen Berufe keine Stütze mehr boten. Die Verhaftetheit mit dem Ort und gleichzeitig die Sehnsucht nach einem besseren, vorzeigbaren Leben prägt etliche der auftauchenden Charaktere. Die Familie von Dominika Chmura bildet das personelle Grundgerüst des Romans, die beiden Großmütter Halina und Zofia sowie die Mutter Jadzia. Dominika ist eigentlich auf dem Weg nach Warschau, um dort das Studium zu beginnen, wird aber noch vor dem Eintreffen am Bahnhof in einen schweren Unfall verwickelt. Dadurch verliert sie ihre bis dahin offenbar vorhanden besonderen mathematischen Fähigkeiten, angedeutet wird später auch ein Hand zum Synästhetizismus, und wird von ihrer Mutter nach Deutschland gebracht, um Operation und Genesung zu ermöglichen. Dies wird von einer polnischen Bekannten, Grazynka, ermöglicht, die wie eine zweite Protagonistin durch den Roman schwebt, aber die am Ende verschwindet, sodass man sich fragt, wozu das ganze Drumherum mit ihrer Person nötig war. Insbesondere ihre Vergangenheit wird sehr intensiv beschrieben, die Verbindung mit verschiedenen polnischen und/oder jüdischen Mitbürgern und wiederum deren Geschichte, sodass man immer und immer wieder in einen historischen Strudel gezogen wird, der aber später nicht zwingend weiterfließt. Gleiches gilt für die dunkelhäutige Krankenschwester Sara, die Dominika im bayerischen Krankenhaus betreut und mit der sie später fortgeht. Auch deren Geschichte ist per se interessant, aber doch nicht wirklich produktiv für das Verständnis für Dominika. Das Gleiche kann man zudem über „Napoleons Nachttopf“ sagen, der ständig auftaucht und über Generationen weitergegeben wird, aber letzten Endes überhaupt keine grundlegende Bedeutung für die Geschichte hat - und auch nicht lustig ist. Mit Sara und doch gleichzeitig auch ohne sie und ohne auch sonst jemanden wird Dominika zur Nomadin, lebt eine Weile in Deutschland, lernt dort einen amerikanischen schwulen Patisseur kennen, geht mit ihm nach Amerika, heiratet ihn sogar pro forma, damit er vom Vater nicht enterbt wird, geht dann wieder ihrer Wege nach New York, liest dort einer alten emigrierten Jüdin vor, besucht immer einmal wieder die Mutter in Polen, wohnt dann eine Weile in London, trifft dort zufälligerweise auf die griechische Familie eines Jugendfreundes, den sie dann am Ende auf dessen griechisch-zyprischer Heimatinsel Karpathos besucht. Dorthin holt sie sogar ihre Mutter zum Urlauben, die ihrerseits in Polen eine eigentümliche Entwicklung durchmacht, hin zu mehr Selbstzufriedenheit und Weltoffenheit. Allein dies ist schon sehr schön zu lesen und man bräuchte viele der anderen Nebengeschichten überhaupt nicht. Das Ende ist zu erwarten, also halb-offen, aber dennoch nicht ganz zufriedenstellend, weil Dominika weiterhin unfassbar bleibt.

Zum einen würde man den Roman besser verstehen, wenn man das Vorgängerwerk „Sandberg“ schon gelesen hat. Angesichts der Vielzahl der Handlungsstränge und vorkommenden Personen halte ich dies für einen Konstruktionsfehler, denn ein Roman sollte für sich genommen gut und zu verstehen sein. Des Weiteren gibt es zwar bestimmte Themen und Tendenzen, die sich durch das Buch ziehen - z.B. die Selbstbestimmung einer Person, deren Sicht auf die Welt und ihr Umgang mit den jeweiligen Umständen, dazu Bindung, Verständnis und Liebe innerhalb der Familie, vor allem zwischen Mutter und Tochter, sowie schließlich die Suche nach einem Sinn im Leben -, aber insgesamt wird nicht so recht klar, worauf die Autorin eigentlich hinauswill. Denn es hätte, um das Schicksal der handelnden Frauen in diesem Buch auszugestalten und zu erklären, nicht so vieler Nebenstränge bedurft, die man sich ohnehin kaum merken kann, selbst wenn sie alle irgendwie ein bisschen miteinander verwoben wurden, sodass man den Eindruck bekommt, alle Polen würden sich, wenn sie mal ins Ausland gehen, auf jeden Fall einmal in New York oder London über den Weg laufen.

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Des Weiteren sind mir die Hauptcharaktere zu unbestimmt gezeichnet. Das mag zwar der Art und möglicherweise auch eigenen Erfahrung der Autorin entsprechen, aber für die Identifikation des Lesers mit einem Roman ist es nicht allzu schlecht, wenn die Protagonistin, hier die junge Polin Dominika Chmura, Charaktereigenschaften aufweist, mit denen man sich annähernd anfreunden kann. Hier ist sie mir aber zu gelassen, zu abgebrüht, zu unabhängig in ihren jungen Jahren, um wirklich glaubhaft zu sein. Auch die Damen Grazynka, Sara und noch andere wirken einfach zu oft wie nicht von dieser Welt. Man mag hier einwenden, dass die Autorin selbst so ein rastloses und unstetes Leben geführt hat, aber im Gegensatz zu Dominika Chmura immer von einem beruflichen Ehrgeiz getrieben.

Schließlich ist es auch schade, dass der Titel „Wolkenfern“ zwar ein paar Mal im Buch vorkommt, aber man nicht so wirklich versteht, was diese Übersetzung soll. Der polnische Titel „Chmurdalia“ ist da ein wesentlich witzigeres Wortspiel, denn das Wort Chmura heißt Wolke, so auch die Protagonistin, und man hätte sich eher einen Titel überlegen können, der nicht zum Bild einer verträumten Person führen, sondern eher auf das rastlose, stets in Bewegung seiende Wesen Dominikas abzielen würde. Wohlgemerkt: dies sind persönliche Eindrücke, warum mir das Buch letzten Endes nicht zu 100% gut gefallen hat, aber keine handwerkliche Kritik an dem Roman, dies mag jeder selbst für sich beurteilen.

Die Geschichte spielt, wie in bisher allen Romanen von Bator, im schlesischen Wałbrzych. Dessen Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg und die Gefühle und Verhaltensweisen der Bewohner, die sich nach den Deutschen dort angesiedelt haben, sind ein tragendes Moment der Geschichte, ebenso die starken Frauencharaktere, die dort das Leben meistern mussten, während die Männer unter Tage oder sonstwo arbeiteten und nach Wegfall der traditionellen Berufe keine Stütze mehr boten. Die Verhaftetheit mit dem Ort und gleichzeitig die Sehnsucht nach einem besseren, vorzeigbaren Leben prägt etliche der auftauchenden Charaktere.

Die Familie von Dominika Chmura bildet das personelle Grundgerüst des Romans, die beiden Großmütter Halina und Zofia sowie die Mutter Jadzia. Dominika ist eigentlich auf dem Weg nach Warschau, um dort das Studium zu beginnen, wird aber noch vor dem Eintreffen am Bahnhof in einen schweren Unfall verwickelt. Dadurch verliert sie ihre bis dahin offenbar vorhanden besonderen mathematischen Fähigkeiten, angedeutet wird später auch ein Hand zum Synästhetizismus, und wird von ihrer Mutter nach Deutschland gebracht, um Operation und Genesung zu ermöglichen. Dies wird von einer polnischen Bekannten, Grazynka, ermöglicht, die wie eine zweite Protagonistin durch den Roman schwebt, aber die am Ende verschwindet, sodass man sich fragt, wozu das ganze Drumherum mit ihrer Person nötig war. Insbesondere ihre Vergangenheit wird sehr intensiv beschrieben, die Verbindung mit verschiedenen polnischen und/oder jüdischen Mitbürgern und wiederum deren Geschichte, sodass man immer und immer wieder in einen historischen Strudel gezogen wird, der aber später nicht zwingend weiterfließt. Gleiches gilt für die dunkelhäutige Krankenschwester Sara, die Dominika im bayerischen Krankenhaus betreut und mit der sie später fortgeht. Auch deren Geschichte ist per se interessant, aber doch nicht wirklich produktiv für das Verständnis für Dominika. Das Gleiche kann man zudem über „Napoleons Nachttopf“ sagen, der ständig auftaucht und über Generationen weitergegeben wird, aber letzten Endes überhaupt keine grundlegende Bedeutung für die Geschichte hat - und auch nicht lustig ist.

Mit Sara und doch gleichzeitig auch ohne sie und ohne auch sonst jemanden wird Dominika zur Nomadin, lebt eine Weile in Deutschland, lernt dort einen amerikanischen schwulen Patisseur kennen, geht mit ihm nach Amerika, heiratet ihn sogar pro forma, damit er vom Vater nicht enterbt wird, geht dann wieder ihrer Wege nach New York, liest dort einer alten emigrierten Jüdin vor, besucht immer einmal wieder die Mutter in Polen, wohnt dann eine Weile in London, trifft dort zufälligerweise auf die griechische Familie eines Jugendfreundes, den sie dann am Ende auf dessen griechisch-zyprischer Heimatinsel Karpathos besucht. Dorthin holt sie sogar ihre Mutter zum Urlauben, die ihrerseits in Polen eine eigentümliche Entwicklung durchmacht, hin zu mehr Selbstzufriedenheit und Weltoffenheit. Allein dies ist schon sehr schön zu lesen und man bräuchte viele der anderen Nebengeschichten überhaupt nicht. Das Ende ist zu erwarten, also halb-offen, aber dennoch nicht ganz zufriedenstellend, weil Dominika weiterhin unfassbar bleibt.

geschrieben am 21.04.2014 | 861 Wörter | 5042 Zeichen

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