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Memory Wall


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Informationen zum Buch
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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Memory Wall Man bekommt eigentlich viel zu selten Novellen in die Hand. Es ist ja schwerer, einen kurzen Text bzw. Roman zu schreiben als einen ausführlichen. Wenn dann ein sprachlich so versierter und auch in der guten Übersetzung noch kraftvoll überzeugender Autor wie Anthony Doerr eine Novelle verfasst, darf man gespannt sein, ob die relative Enge des Buchumfangs auch die poetische Sprache des Autors begrenzt. Dies ist aber – zum Glück – nicht der Fall. Doerr versetzt den Leser schon nach kürzester Zeit in die Lage, sich in die örtlichen Gegebenheiten und die handelnden Personen mitsamt ihrer Beziehungen zueinander einzufinden, sodass es keines langen Anlaufs braucht, um sich mitten in den Geschehnissen wiederzufinden. Ort der Handlung ist Kapstadt in Südafrika. Im Haus der alten und demenzkranken Alma Konachek, deren Mann vor knapp vier Jahren verstarb, befindet sich eine riesige Ansammlung von Kassetten: es handelt sich um Datenträger, auf die Alma in einer Spezialklinik ihre Erinnerungen aufspielen hat lassen, um damit dem weiteren geistigen Verfall Aufschub zu gebieten. Das gelingt nur mit mäßigem Erfolg, was sie sich in ihren wenigen klaren Momenten auch selbst eingestehen muss. Sie wird gepflegt von ihrem Hausangestellten Pheko, der mit kleinen seinem Sohn Temba in einem einfachen Hüttenviertel etliche Kilometer weit entfernt wohnt. Er versorgt Alma auch immer wieder mit Kassetten, die sie mittels bestimmter technischer Apparate und Elektroden in ihrem Kopf für sich abspielen und erleben kann, wobei Pheko weiß, welche Episode Alma besonders gern hat, sodass er diese Kassette griffbereit in der Küche aufbewahrt. Die übrigen Kassetten hängen zusammen mit Bildern, Notizen und anderen Zetteln an einer großen Wand, der titelgebenden Memory Wall. Almas Mann war ein Fossilienkenner und –sammler und hat kurz vor seinem Tod noch eine ganz besondere Entdeckung in der Karoo-Wüste außerhalb von Kapstadt gemacht. Auch dies ist als Erinnerung auf einer Kassette abgespeichert. Und auf diese Kassette hat es der Ganove Roger abgesehen, der sich ein Waisenkind, Luvo, regelrecht angeeignet und dann mit Elektroden versehen hat, um mit diesem als Medium Almas Erinnerungen zu durchforsten. Allerdings schafft er es einfach nicht, die Kassette zu finden, und die Zeit drängt, denn Almas Haus soll verkauft werden, was auch für Pheko die Entlassung bedeutet. Der aber braucht sein Einkommen dringend für Temba. Die Lage spitzt sich zu. Roger kommt nun jede Nacht mit Luvo in Almas Haus, findet sogar die richtige Kassette, aber bevor er daraus Kapital schlagen kann, wird er von Alma erschossen. Luvo hingegen, nun mit den notwendigen Informationen ausgestattet, macht sich auf die Suche nach dem begehrten Fossil. Dies und auch das Ende der Geschichte sind eine gelungene Volte innerhalb der Novelle, wenngleich nach meinem Geschmack das vorletzte Kapitel mit Pheko und Temba gerne den Schlusspunkt hätte setzen können. Die Idee mit dem Speichern der Gedanken und Erinnerungen auf Kassetten ist ja ohnehin so fiktiv, dass man dann gerne auch ein rührseliges Ende hätte akzeptieren können. Aber der Schlussblick auf Alma im Seniorenheim ist mehr als trist und lässt einen ordentlich schalen Beigeschmack. Dennoch: die Geschichte ist toll erzählt, gut komponiert und wieder einmal in vielen Details sprachlich packend. Das ist nicht zwingend im Sinne von „spannend“ gemeint, aber der Leser wird von der Erzählung durchaus eingesogen. Phasenweise kann man Seiten auch einmal querlesen, gerade wenn es um Fossilien geht, und ab und an sind Luvos Gedanken auch zu erwachsen und aufgeklärt für ein Waisen- und Straßenkind in der Pubertät, aber das sind Kleinigkeiten, die den guten Gesamteindruck nicht stören. Vielmehr kann der Leser sein Auge auf Doerrs Fomulierungskunst lenken, der mit dem Blick für Details, Regungen und vor allem Auslassungen die Geschicke der Figuren und damit aber auch den Leser lenkt. Ein sehr schönes und niveauvolles Leseerlebnis.

Man bekommt eigentlich viel zu selten Novellen in die Hand. Es ist ja schwerer, einen kurzen Text bzw. Roman zu schreiben als einen ausführlichen. Wenn dann ein sprachlich so versierter und auch in der guten Übersetzung noch kraftvoll überzeugender Autor wie Anthony Doerr eine Novelle verfasst, darf man gespannt sein, ob die relative Enge des Buchumfangs auch die poetische Sprache des Autors begrenzt. Dies ist aber – zum Glück – nicht der Fall. Doerr versetzt den Leser schon nach kürzester Zeit in die Lage, sich in die örtlichen Gegebenheiten und die handelnden Personen mitsamt ihrer Beziehungen zueinander einzufinden, sodass es keines langen Anlaufs braucht, um sich mitten in den Geschehnissen wiederzufinden.

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Ort der Handlung ist Kapstadt in Südafrika. Im Haus der alten und demenzkranken Alma Konachek, deren Mann vor knapp vier Jahren verstarb, befindet sich eine riesige Ansammlung von Kassetten: es handelt sich um Datenträger, auf die Alma in einer Spezialklinik ihre Erinnerungen aufspielen hat lassen, um damit dem weiteren geistigen Verfall Aufschub zu gebieten. Das gelingt nur mit mäßigem Erfolg, was sie sich in ihren wenigen klaren Momenten auch selbst eingestehen muss. Sie wird gepflegt von ihrem Hausangestellten Pheko, der mit kleinen seinem Sohn Temba in einem einfachen Hüttenviertel etliche Kilometer weit entfernt wohnt. Er versorgt Alma auch immer wieder mit Kassetten, die sie mittels bestimmter technischer Apparate und Elektroden in ihrem Kopf für sich abspielen und erleben kann, wobei Pheko weiß, welche Episode Alma besonders gern hat, sodass er diese Kassette griffbereit in der Küche aufbewahrt. Die übrigen Kassetten hängen zusammen mit Bildern, Notizen und anderen Zetteln an einer großen Wand, der titelgebenden Memory Wall.

Almas Mann war ein Fossilienkenner und –sammler und hat kurz vor seinem Tod noch eine ganz besondere Entdeckung in der Karoo-Wüste außerhalb von Kapstadt gemacht. Auch dies ist als Erinnerung auf einer Kassette abgespeichert. Und auf diese Kassette hat es der Ganove Roger abgesehen, der sich ein Waisenkind, Luvo, regelrecht angeeignet und dann mit Elektroden versehen hat, um mit diesem als Medium Almas Erinnerungen zu durchforsten. Allerdings schafft er es einfach nicht, die Kassette zu finden, und die Zeit drängt, denn Almas Haus soll verkauft werden, was auch für Pheko die Entlassung bedeutet. Der aber braucht sein Einkommen dringend für Temba. Die Lage spitzt sich zu. Roger kommt nun jede Nacht mit Luvo in Almas Haus, findet sogar die richtige Kassette, aber bevor er daraus Kapital schlagen kann, wird er von Alma erschossen. Luvo hingegen, nun mit den notwendigen Informationen ausgestattet, macht sich auf die Suche nach dem begehrten Fossil. Dies und auch das Ende der Geschichte sind eine gelungene Volte innerhalb der Novelle, wenngleich nach meinem Geschmack das vorletzte Kapitel mit Pheko und Temba gerne den Schlusspunkt hätte setzen können. Die Idee mit dem Speichern der Gedanken und Erinnerungen auf Kassetten ist ja ohnehin so fiktiv, dass man dann gerne auch ein rührseliges Ende hätte akzeptieren können. Aber der Schlussblick auf Alma im Seniorenheim ist mehr als trist und lässt einen ordentlich schalen Beigeschmack.

Dennoch: die Geschichte ist toll erzählt, gut komponiert und wieder einmal in vielen Details sprachlich packend. Das ist nicht zwingend im Sinne von „spannend“ gemeint, aber der Leser wird von der Erzählung durchaus eingesogen. Phasenweise kann man Seiten auch einmal querlesen, gerade wenn es um Fossilien geht, und ab und an sind Luvos Gedanken auch zu erwachsen und aufgeklärt für ein Waisen- und Straßenkind in der Pubertät, aber das sind Kleinigkeiten, die den guten Gesamteindruck nicht stören. Vielmehr kann der Leser sein Auge auf Doerrs Fomulierungskunst lenken, der mit dem Blick für Details, Regungen und vor allem Auslassungen die Geschicke der Figuren und damit aber auch den Leser lenkt. Ein sehr schönes und niveauvolles Leseerlebnis.

geschrieben am 25.05.2016 | 607 Wörter | 3360 Zeichen

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