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Gastfreundschaft der Kulturen - Eine Einmischung


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Rezension von

Daniel Bigalke

Gastfreundschaft der Kulturen - Eine Einmischung Die Zukunft der Deutschen Identität - In der Bundesrepublik Deutschland ist die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Multikulturalismus“ und demjenigen einer „Deutschen Identität“ von nahezu in Europa einmaligen Tabus geprägt. Heinrichs\' Buch hingegen bietet einen strukturellen Lösungsansatz, der wichtige Fragen ohne schöngeistige Appelle angeht. Die gegenwärtige Situation In der Bundesrepublik Deutschland ist die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Multikulturalismus“ und demjenigen einer „Deutschen Identität“ von nahezu in Europa einmaligen Tabus geprägt. Die etablierten politischen Kräfte versichern sich in diesem Zusammenhang alltäglich und medienwirksam gegenseitig ihre gemeinsame Wichtigkeit im Bekämpfen des selbst geschaffenen Problems eines trotzdem immer noch abstrakt bleibenden „Extremismus“, den sie zumindest als solchen selbst medial und sprachlich zu ihrem eigenen Vorteil immer dann konstruieren, wenn sich jemand über deutsche Identität den Kopf zerbricht – wobei diese Denker wohl fühlen, daß dies doch immer mehr war und wieder sein kann, als bisher von staatlich alimentierten Bedenkenträgern glaubhaft gemacht wird. Diese wiederum sitzen in Stiftungen, beteuern die Hochwertigkeit der eigenen Arbeit und merken kaum, daß sie lediglich der eigenen Ideologie, z.B. der des „Multikulturalismus“, aufsitzen, welche gehegt und gepflegt wird, um denjenigen unweigerlich herannahenden Tag hinauszuschieben, an dem diese Bedenkenträger und Monopolinhaber bundesdeutscher „Gedächtniskultur“ einmal selbst aufwachen und plötzlich „Nazi“ sind, ohne es gemerkt zu haben, da der Anwendungsbereich des rechtstaatlich völlig irrelevanten „Extremismus“ - Begriffsschrotts sich bei entsprechender politischer Motivation auf alle – auch auf sie - anwenden läßt. Das ist die nachkriegsdemokratische und damit bundesdeutsche Realität, permanent ihre Dogmen reproduzierend, denkfaul, reduktionistisch und blind für eine wahrlich innovative weil strukturelle Herangehensweise an die nicht mehr von der Hand zu weisenden Fragen zur Zuwanderung oder zum „Multikulturalismus“. Sie übt sich im Umgang mit neuen Ansätzen und Büchern in einer relativierenden Rezeption, welche eine chronisch ablehnende Rezeption darstellt. Strukturelleres Denken wird nicht mehr als begrüßenswertes Hilfsmittel zur Lösung eines Problems anerkannt, sondern als bloße Negativfolie zur Profilierung der hegemonial etablierten aber längst versagenden Dogmen. Rolf Stolz, Mitbegründer der Grünen Partei, der ein Buch zur Zuwanderungsdebatte schrieb, faßte diese Prozesse folgendermaßen zusammen: „Ausländerfeindlichkeit ist eine Reaktion auf das Totschweigen und Beschönigen von tatsächlichen politischen Problemen, die die unverhältnismäßige Zuwanderung den Inländern bereitet. Eine Reaktion auf das Totschweigen und Beschönigen tatsächlicher Schwierigkeiten, für die einzelne Gruppen von Ausländern verantwortlich sind und haftbar gemacht werden können. Eine Reaktion auf Hasserzeugung, Gewaltanwendung, Rücksichts- und Gedankenlosigkeit gegen Inländer. Eine Reaktion auf den Selbsthass, mit dem einige Deutsche Deutschland und das deutsche Volk überziehen.“ (Rolf Stolz: Deutschland, deine Zuwanderer. Fakten – Analysen - Chancen, 2002, S. 9/10) Das Jahr 1994 und Johannes Heinrichs Schrift „Gastfreundschaft der Kulturen“ Diese Ausführungen, publiziert 2002, betonen die Notwendigkeit eine deutschen Identität und bringen zwar die Sachlage und notwendige Handlungsmaximen trefflich auf den Punkt, bieten aber keine genügend strukturelle weil philosophisch-erkenntnistheoretisch fundierte Herangehensweise aus derjenigen Sicht dar, die wir diejenige einer gesunden deutschen Identität nennen können. Das ist umso enttäuschender, als eine strukturelle Lösung dieser Fragen bereits in einer 1994 veröffentlichten Schrift des Sozialphilosophen Johannes Heinrichs (geb. 1942) angeboten und publiziert wurde, welche aber seitdem kaum erwähnt wurde, obwohl die aktuelle Politik sich mehr und mehr in die 1994 von dieser Studie geforderte Richtung bewegt. Heinrichs’ Studie blieb aber – wen wundert es angesichts der bisher geschilderten Situation in der Bundesrepublik – kaum beachtet und ist inzwischen trotz ihrer unheimlichen Aktualität nahezu vergessen. Ihr soll gerade deshalb die vorliegende Besprechung gelten. Johannes Heinrichs, der von 1998 bis 2002 Nachfolger des verstorbenen DDR-Dissidenten Rudolf Bahro (1935-1997) an der Berliner Humboldt-Universität zu Berlin am Lehrstuhl für Sozialökologie lehrte, verfasste seine Schrift mit dem Titel „Gastfreundschaft der Kulturen“ 1994, einer beunruhigenden Zeit, in der eine vergleichsweise geringe Anzahl von Menschen ihren eigentlich begründeten Frust verkehrt kanalisierte und im Anzünden von Asylantenheimen in Ost und West zum Ausdruck brachte. Hoyerswerda, Rostock, Mölln oder Solingen sind vielen Deutschen noch ein Begriff. Heute sind wir über zehn Jahre weiter und das Problem bleibt ungelöst. Die Schrift von Heinrichs ist aber noch beziehbar und umso spannender – denn ihre Lösungsvorschläge sind aktueller geworden. Zudem wissen wir heute zugunsten einer gesunden Perspektive deutschen Selbstbewußtseins unweigerlich, daß z.B. nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz nur 9% der Brandstifter von Mölln nationalen Parteien und ähnlichen Organisationen angehörten. Es gilt heute ebenso zu bedenken, daß der Anlaß der Brandstiftung in Asylantenheimen – man denke an den Reichstagsbrand vom Februar 1933 und seine innenpolitischen Folgen inklusive des Ermächtigungsgesetzes – zum Vorwand genommen wurde, in ähnlicher NS-Manier von 1992-1994 zugleich 98 andere publizierte Schriften unerwünschten Inhalts im Zuge der bundesdeutschen antipluralistischen Verdachtstrategie zu indizieren. Zudem wissen wir heute, daß Heinrichs Schrift, und dies kann zur Ignoranz gegenüber ihrem innovativen Inhalt beigetragen haben, in einer Zeit erschien, wo kriminelle Handlungen im Namen des Staates und „Neonazi“ -Aktivitäten z.B. durch den baden-württembergischen V-Mann „Axel Reichert“ initiiert wurden, um die genau zu dieser Zeit in der Wählergunst an Einfluß gewinnende Partei der Republikaner einem damit umso effektiverem Verbotsverfahren preiszugeben – schöne „freiheitliche“ Grundordnung! Auch der Brandanschlag von Solingen blieb bis heute hinsichtlich dessen ohne Konsequenz, daß der V-Mann Bernd Schmitt zu denjenigen gehörte, der die Jugendlichen betreut hat, welche anschließend auf dünner Beweislage wegen des Brandanschlags in Solingen verurteilt wurden. (Vgl. Schüßlburner/Knütter: Was der Verfassungsschutz verschweigt. Bausteine für einen alternativen Verfassungsschutzbericht, 2007, S. 213ff.) Das Buch Heinrichs, der Versuch einer „überparteiliche[n] Selbstbesinnung“ (16) gegen „Partei- und Schulpolemik“ (16), erschien in diesen bundesdeutschen Wirren und blieb in dieser Zeit unerwähnt, verdrängt, unrezensiert, obwohl es die nachvollziehbarsten Lösungsvorschläge jenseits des amtlich und parteitaktisch inszenierten Moralismus und seiner Ablenkungsideologie geboten hätte. Heinrichs schrieb damals schon: „Man höre auf mit den unerträglichen Appellen an Liebe und Friedfertigkeit, wo strukturell Ungelöstes bleibt.“ (68) Worin liegt im das Strukturelle? Kultur und „Multikultur“ Heinrichs betont deshalb in seiner kleinen, 128 Seiten umfassenden und sehr gut lesbaren Schrift, daß es höchste Zeit für eine Selbstbesinnung der Deutschen sei, die niemals zugleich mit einer Abkehr von unserer deutschen Identität einhergehen darf. So kommt er zu dem Schluß, daß das bis heute aktuelle Gerede von multikultureller Gesellschaft in hohem, ja erschreckendem Grade unüberlegt ist. Das besondere an dieser Schrift ist, daß der Autor das Problem deutscher Identität dezidiert als Kulturproblem betrachtet, als Problem eines deutschen Selbstverständnisses und einer deutschen Kultur, die neu zu definieren die wichtigste Voraussetzung zur Überwindung unserer nationalen Identitätsstörung und damit zur Schaffung gesunder Integrationsbereitschaft gegenüber Ausländern ist - tiefsinnige Worte in einer dafür ungünstigen weil an kollektiver Hysterie leidenden Zeit. So geht für den Autor die primitive „Alternative von „ausländerfreundlich oder ausländerfeindlich“ hochideologisch am Kern der Fragen vorbei, wie es meist die sogenannten ethischen Appelle an den einzelnen tun, die strukturelles Bedenken und Lösen objektiv vorhandener Probleme ignorieren.“ (12) Heinrichs verläßt sich auf die nüchterne Kraft des Denkens und geht auf seine Weise an diese Fragen heran. Er bettet im Sinne seiner charakteristischen Theorie die menschliche Interaktion und die Gesellschaft in die von ihm schon 1976 beschriebenen vier Hauptebenen des Sozialen ein, die sich in einer staatlich organisierten Gesellschaft als vier Subsysteme ausgliedern: Wirtschaft, Politik, Kultur sowie die weltanschauliche Ebene der Grundwerte. (Johannes Heinrichs: Reflexion als soziales System, Bonn, 1976) Hier finden wir auch die zentrale Ebene der Kultur wieder, welche von der Sphäre des Politischen und damit auch des Ideologischen zu trennen ist. Gemeinsame Kultur ist ihm in diesem Zusammenhang der Rest an deutscher Gemeinschaftlichkeit in unseren weltanschaulich pluralistischen Gesellschaften, der nicht aus ideologischen und parteitaktischen antideutschen Ressentiments geleugnet werden kann. Die „Währung“ der Kultur ist die gemeinsame - deutsche – Sprache. Eine Definition der deutschen Kultur allein vom Politischen her, wie es bisher in Deutschland unüberlegt beispielsweise über die Mogelpackung des „Verfassungspatriotismus“ der Fall ist, bedeutet vor diesem Hintergrund Vernichtung der Kultur gerade in ihrem Eigenen, wodurch sich die Deutschen als Kulturträger zurecht enttäuscht und verbittert zeigen dürfen. So gelingt es Heinrichs sofort, die Dialektik von deutscher Kultur, Multi-(un)-kultur und der verbitterten Reaktion ausländerfeindlicher Unkultur zugunsten eines Entwurfes zu entschleiern, der eine Besonderheit aufgrund seiner tieferen Differenzierung darstellt - der Autor definiert in seinem Buch den Begriff Kultur im spezifischen, undogmatischen und für jeden Deutschen annehmbaren Sinne: „Kultur ist der Inbegriff dessen, was an vor-sprachlichen, sprachlichen und metasprachlichen (d.h. künstlerischen) Objektivationen aus einer Sprachgemeinschaft hervorgeht und den spezifisch kommunikativen Umgang, nicht primär und allein die politisch-rechtlichen Verkehrsformen, tief greifend prägt.“ (22) Kaum hat es in der Nachkriegszeit eine solche nüchterne und dennoch ausdrückliche Definition von dezidiert deutscher Kultur gegeben. Damit gelingt es ihm aus einem fundamentalen Prinzip heraus, den bisher nicht erkannten und einzig sinnvoll möglichen Brückenschlag zum Begriff der „nationale Identität“ der Deutschen zu vollziehen, die also wissen sollte, daß „Multikultur ohne die Unterscheidung von gastgebender Kultur und Gastkultur“ in Kürze „eine Unkultur“ wird. (100) Denn nationale Identität ist für Heinrichs bewußter, als es die „demokratischen Kräfte“ der Bundesrepublik – man bedenke diesen heute wieder aktuell gewordenen DDR-Jargon – gewohnt sind, primär von der kulturellen Systemebene her zu definieren. Eine Konsequenz daraus ist völlig verständlich und sollte heute an Bedeutung gewinnen: Die Parole „Deutschland den Deutschen“ ist für ein nationales Identitätsverständnis von Sprache und Kultur ebenso verkehrt, wie auf der anderen Seite die bisher gedankenlos praktizierte Selbstaufgabe der deutschen Kultur, auf die das übliche, unklare Multi-Kulti-Gerede hinausführt, zumal die Vertreter der politischen Klasse desselben Geredes am Stadtrand zu wohnen pflegen und das kultivierte Chaos in den Innenstädten im Alltag kaum erleben. Während sich Jürgen Habermas also genüßlich am Starnberger See und nicht in den verdreckten Straße Kreuzbergs sonnt, könnte man mit Heinrichs jetzt erst recht sagen: Eine starke und gesunde deutsche Kultur ist der Schlüssel zur funktionierenden Multikultur, die diesen Namen verdient. Das Verständnis von „Deutscher Identität“ und „Gastfreundschaft“ In der Tat steht damit der Verfasser selbst als auch seine Theorie in der Tradition der deutschen Geisteskultur, welche oft in den Schriften Sebastian Haffners beschrieben wurde. Für Haffner atmet das deutsche Staats-, Politik- und nicht zuletzt auch Kulturverständnis den Geist differenzierter und freier Bildung, des Kosmopolitismus im fichteschen Sinne, des disziplinierten Vernunft- und Sittlichkeitsideals, der Liberalität und vor allem einer geistigen Tiefe, die zugleich tolerante Offenheit verheißt. (Vgl. Haffner, Sebastian 2000: Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914-1933, München, S. 209ff). So schließen sich also nationale Identität und internationale Offenheit nicht aus, was Heinrichs’ Konzept einer „Gastfreundschaft der Kulturen“ glaubhaft macht. Heinrichs selbst benutzt veranschaulichend ähnliche Wortpaare wie Haffner zur Charakterisierung des spezifisch Deutschen, das auch heute wieder der denkerische Schlüssel im Umgang mit komplexen Fragen geworden ist und offenbar schon viel früher hätte sein können: „Klarheit und Tiefe, Rationalität und Intuition, Intellektualität und Spiritualität“. (78-79) Blicken wir auf die bisherige und erwiesenermaßen völlig kontraproduktive Haltung, „multikulturelle“ Einzelne ohne Zugehörigkeit zu einer gemeinschaftsbildenden Primärkultur zu bevorzugen, so ist die Bedeutung des traditionellen deutschen Kosmopolitismuskonzepts, wie es sich selbst in den Schriften Karl Goerdelers oder Edgar Jungs kundtut und sich der nivellierenden ‚Vergewaltigung’ anderer Kulturen enthält, vor allem in Anbetracht dessen von Bedeutung, daß das deutsche Grundgesetz unter dem Eindruck der deutschen Katastrophe explizit von der Gesamtheit des deutschen Volkes und seiner Kultur ausging. So stellt die vorliegende Schrift Heinrichs’ ein erfreuliches Novum dar, welches sich der Propagierung des polykulturellen Durcheinanders enthält, trüge dies doch selbst zur Sinnentleerung des deutschen Grundgesetzes bei. Heinrichs schrieb dazu unter kaum veränderten Umständen noch im Jahr 2003: „Es darf kein Entweder-Oder von national und transnational geben, sondern eindeutig ein mehrstufiges Sowohl-als-auch.“ (Johannes Heinrichs: Revolution der Demokratie. Eine Realutopie für die schweigende Mehrheit, 2003, S. 385) Er unterscheidet also folgerichtig zwischen gastgebender (jeweils primärer) Kultur und Gastkulturen (jeweils sekundären Kulturen), was die gesunde Voraussetzung dafür sei, daß die eigene kulturelle Identität bewahrt und andere Kulturen zugleich gastfreundschaftlich aufgenommen werden können. Zu diesem Sachverhalt sei zum Vergleich nochmals Heinrichs in der hier zu besprechenden Schrift von 1994 zitiert: Das „delikate Gleichgewicht zwischen Kosmopolitismus und Patriotismus“ (56) sei schon immer das spezifisch Deutsche gewesen. Selbst der große Lehrmeister der Deutschen, Johann Gottlieb Fichte Fichte (1762-1814), betont die kulturelle Bildung der Nation als Vorstufe zur rein menschlichen Bildung. Er synthetisiert Weltbürgertum und Patriotismus mit dem Ziel der Organisation menschlicher Gesellschaft nach dem Bilde der Vernunft und der Maxime staatspolitischer Unabhängigkeit. (Vgl. Fichte, Johann Gottlieb von 1869: Reden an die deutsche Nation [1808]. Historisch-politische Bibliothek, Berlin.) Damit spricht er sich für einen bürgerlichen Patriotismus von Menschen gleicher Sprache und Kultur als mikrokosmischer Prämisse für einen menschheitlichen Makrokosmos – also sinngemäß für eine „Gastfreundschaft der Kulturen“ - aus, ohne die Souveränität der Völker und ihrer jeweiligen Kultur zu leugnen. Heinrichs ergänzt damit das Konzept des Ethnopluralismus des französischen Philosophen Alain des Benoist (geb. 1943) um eine spezifisch deutsche Dimension. Für de Benoist ist die kulturelle Homogenität wichtig, weil er eine kulturalistische Differenzierung ethnischer Zuschreibungen vornimmt. (Vgl. Alain de Benoist: Aufstand der Kulturen, 2003, Berlin) Heinrichs thematisiert die deutsche Variante eines ausschließlich kulturell definierten selbstbewußten Pluralismus von der Sprache her. Mangelnde Unterscheidungsfähigkeit ist also derzeit das größte Hindernis, auftretend im Gewand internationalistischer, völlig indifferenter und damit in letzter spürbarer Konsequenz immer geheuchelter „Gastfreundschaft“. Heinrichs betont deshalb die Leistung des traditionellen deutschen Denkvermögens in Philosophie und Geschichte, das in spezifischem Sinne zur Geltung zu bringen merklich das zentrale Anliegen der vorliegenden Schrift ist: „Deutschlands Berufung, das heißt auch sein positiver Beitrag für die Welt, liegt im Denkerischen oder in der Verbindung von Kunst und Denken, das Naturwissenschaftlich-Technische eingeschlossen, jedoch stets in Beziehung zu der Ganzheitsdisziplin Philosophie, die – selbst eine „Kunst der Begriffe“ (Immanuel Kant) – das Denken mit den Künsten verbindet.“ (52) Deutschland als Staat ist ihm also kein bloß ökonomischer Betrieb, kein zur Kruste erstarrtes und von der Konversion von Rechten in abstrakte Werte geprägtes Grundgesetz, welches inzwischen zu einer hypermoralisch instrumentalisierten Supraverfassung degeneriert. Auch sind ihm Gesellschaft oder gar Nation keine lediglich rechtlich-politischen Begriffe, da sie ihren Fundamentalkontext ohnehin erst durch eine sie prägende Kultur erhalten. Damit vollzieht der Autor einen weiteren wesentlichen Schritt mit erfreulicher Entschlossenheit. Deutsche Kultur ist selbst die Notwendigkeit, Ausländer sinnvoll zu integrieren und sie bleibt zur Lösung dieses Problems selbst immer an die traditionelle deutsche Philosophie gebunden. (78) „Je stärker unsere nationale Identität ist, um so mehr Menschen können wir im Notfall integrieren.“ (118) Auch eine doppelte Staatsangehörigkeit – so Heinrichs - darf nicht zum Vorwand dienen, in Deutschland auf Dauer kulturell ausländische Gettos oder Enklaven zu errichten. Die ursprüngliche kulturelle Identität von „Gastarbeitern“ beispielsweise wird, wenn man den Argumentationsstrang des Autors aufnimmt, nicht einfach in die gastgebende Kultur hinein aufgelöst, sondern zugleich auch erhalten – aber als sekundäre Kultur, die in dem Sinne sekundär ist, daß sie sich zusätzlich zur verbindenden Mutterkultur entfalten kann, wie dies in den USA im Hinblick auf die Herkunftskulturen möglich ist. Erkenntnistheoretisch fundiert kann ein denkender Mensch mit Heinrichs nur zu folgender Haltung gelangen: Individuen definieren sich als „Selbtbezug-im-Fremdbezug“, wobei der Selbstbezug, die eigene Identität, der Primärbestandteil im Prozeß menschlichen Selbsbewußtseins ist, welcher sich nach außen kehrt und des Objektiven und Anderen ebenso als Korrelat zum Eigenen bedarf. Das selbstbewußte Individuum weiß nämlich auch, daß auch die objektive Welt wesentlich durch die Vorstellung des Subjekts vorhanden, in ihm immer nur bewußtseinsimmanent ist. Es ist dies tatsächlich die Theorie der Subjekt-Objekt-Korrelation, die jegliche dogmatische Politik, Religion und menschliche Haltung nicht zu erkennen gewillt ist, obwohl diese Dogmatik der Theorie einer Subjekt-Objekt-Korrelation durch das principium individuationis selbst in Permanenz unweigerlich unterliegt – die eigenen Dogmen vorrangig auch immer aus sich selbst erschafft. Dogmen sind also niemals nur objektiv annehmbar und vermeintlich unhinterfragbar. Vielmehr sind sie auch Produkt des menschlichen Vorstellungsvermögens. Womöglich meint Heinrichs gerade in Bezug auf die Deutschen diesen Sachverhalt des nötigen Bewußtseins von der Subjekt-Objekt-Korrelation, wenn er von gesteigerter „Reflexions- oder Innerlichkeitskultur“ spricht. (74) Von der Komplizenschaft zwischen gedankenlosen Multikulti-Rednern und ausländerfeindlichen Ausschreitungen Interessant ist im Zusammenhang mit dem vorliegenden Plädoyer des Verfassers für eine Vielfalt lebendiger Nationalkulturen vor allen Dingen seine Verbindung, die er zwischen den Verfechtern der „Multi-Kulti“-Ideologie und den frustrierten Gewalttätern gegenüber Ausländern sieht. Ein kollektiver deutscher Masochismus, der darin bestünde, den Anspruch einer verbindlichen Basiskultur auf deutschem Sprachgebiet aufzugeben, schlägt für Heinrichs unvermeidlich in Sadismus Einzelner um, so daß die Zerstörung der nationalen Identitäten in Deutschland durch das Wirken der etablierten Politiker mit ihren wirkungslosen Appellen und öden Aufrufen zum „Kampf gegen den Extremismus“, bei denen jeder mit der bei Aldi schnell besorgten Kerze ganz vorn zu stehen gedenkt, gerade gewalttätige Ausschreitungen gegenüber Ausländern provoziert. Dies geschieht solange, bis dem berechtigten Interesse aller Kulturnationen nach Identität massenwirksam Rechnung getragen wird. Heinrichs bilanziert: Sowohl die „Blindheit der in Wahrheit unkommunikativen Diskurstheorie [Habermas’] für national-kulturelle Werte, die sich niemals diskursiv erklären lassen“ (26), als auch bundesdeutschen Politiker tragen Verantwortung für diese Ausschreitung. Es leuchtet dem Leser hier unmittelbar folgendes ein: Sogenannte „Extremisten“ werden ja wirklich nicht als solche geboren, sondern sind primär eigenes Produkt des Staates, der sie medienwirksam und entgegen dem Prinzip der Menschenrechte konstruiert, mit Verachtung überhäuft – ignorant gegenüber der Tatsache, sie damit trotzdem selbst immer wieder zu erzeugen. Die Verleugner der deutschen Nation, die Heinrichs in deutscher Tradition als „Gemeinschaftsgebilde aus Herkunft und Geschichte, verbunden in der Kreation einer Kultur, umgrenzt durch die gemeinsame Sprache“ (50) definiert, stehen also in unerkannter Mittäterschaft zu den gewaltbereiten Jugendlichen. Hier ließe sich eine zutreffende Analogie zu einer Aussage Friedrich Nietzsches (1844-1900) vornehmen, der in seinem posthum veröffentlichen Werk „Der Wille zur Macht“ schrieb: „Extreme Positionen werden nicht durch ermäßigte abgelöst, sondern wiederum durch extreme, aber umgekehrte.“ (Friedrich Nietzsche: Der Wille zur macht, 2006, § 55, S. 47) So stehen sich also „extremistische“ Multikulturalisten und „extremistische“ Gewalttäter gegenüber. Beide gehören in den Verfassungsschutzbericht – und wir können sagen, daß beide unter fundamentaler Denkhemmnis und kaum zu überbietender Immunschwäche gegenüber schöngeistigen bzw. gewaltverherrlichenden Appellen leiden. Und so kommt Heinrichs bereits 1994 zu folgender nachdenklich stimmender Prognose, die sich bis ins Jahr 2007 hinein bewahrheiten sollte: „Das Schwanken zwischen Selbstverleugnung und nationalistischem Auftrumpfen wird weitergehen, solange wir uns nicht entschließen, ernsthaft nach je eigener und damit auch nach nationaler Identität zu fragen. (…) Das „heilige Deutschland“, mit dem auf den Lippen in Graf von Stauffenberg den Todesschuß empfing, läßt sich nicht von den Oberflächlichen und Philistern verleugnen, ohne daß Dämonen freigesetzt werden, (…).“ (70) Bilanz Das Buch von Johannes Heinrichs bringt eine unglaubliche aber notwendige Welle von Anregungen zur Betrachtung bundesdeutscher Realitäten bis in die Gegenwart hinein mit sich. Zugleich lernt der Leser, daß das 3. Reich an der deutschen Berufung, Probleme strukturell und nicht appellativ zu lösen, trotz Konsumwelle, Tagesjournalismus und Fachidiotie, trotz amtlicher Verrufserklärungen, amtlicher Einschränkung des politischen Pluralismus und trotz eines krampfhaft kultivierten Antigermanismus nichts verändert hat. Umfassendes Denken gilt also weiter als spezifisch deutsche Stärke (63), und wir können nach vollendeter Lektüre feststellen, daß sich der Verfasser aus Überzeugung nach dieser Maxime richtet, um eine tatsächlich nicht abnehmende Anzahl von „Dämonen“ zu bekämpfen. Die bundesdeutschen Bedenkenträger – beispielsweise der Zentralrat der Juden - haben dabei eines zu lernen: Es macht keinen Sinn, die durch Übernutzung längst zerkratzte Langspielplatte der „geistigen Brandstiftung“ abzuspielen, sobald sich in Deutschland etwas wirklich strukturelles bewegt, wenn nicht auch auf jüdischer Seite die Selbstreflexion einsetzt und auf jüdischer Seite erkannt wird, daß z.B. die ganze Rassenidee wesentlich aus der verschleierten Ineinssetzung von Volk und Religion folgt und daß der Anspruch auf eine – zumal gerade in Deutschland mit moralischem Bonus behaftete und sich überall einmischende – jüdische Sonderrolle religiös verbrämter Rassismus ist, der eigentlich zurecht seine Gegner heraufbeschwört. Heinrichs selbst benennt seine praktische Konsequenz: Er fordert, daß der „Straftatbestand der nationalen Beleidigung des gastgebenden Landes ins Ausländerrecht oder ins Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werden müßte.“ (117) Damit hat er recht. Man sollte aber zudem im Sinne einer deutschen Identität ergänzen, daß auch von der leicht abrufbaren weil auf konditionierten Reflexen beruhenden Deutschfeindlichkeit in Form eines Bewältigungsrassismus keine sinnvolle Befriedung von Identitätskonflikten mehr zu erwarten ist und daß deshalb der § 130 StGB („Volksverhetzung“) bei konsequenter Anwendung auch für die Hetze gegenüber der deutschen Identität zu gelten habe. Zweierlei Maß ist im Juristischen unglaubwürdig! Die negative Dreifaltigkeit der bundesdeutschen Zivilreligion, bestehend aus „Antisemitismus“, „Rassismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ harrt künftig einer strukturelleren Lösung, zu der mit dieser Schrift bereits rechtzeitig richtige Weichen gestellt worden sind, denn bisher brachte noch jede Religion, offenbar auch jede Zivilreligion, ihre – in verächtlicher Manier gesprochen - Ketzer hervor. Man könnte jene „Ketzer“ einfach auch „denkende Menschen“ nennen. Solange wir Heinrichs’ Weichen nicht befahren, bleibt es dem kulturell bewußten Deutschen, wenn der Staat ein Moloch ist und seine Institutionen versagen, nur übrig, seine deutsche Umwelt, sein geistreicheres Refugium, auf eigene Faust zu erschaffen. Wir können über diese Denkenden, Liebenden, Hoffenden, Leidenden, Ergründenden und Verzweifelten Menschen in unserem Lande das festhalten, was schon Ernst Jünger in seinem „Waldgang“ sah: „Der Einzelne ist immer noch weiser, als die gesamte Organisation.“

Die Zukunft der Deutschen Identität - In der Bundesrepublik Deutschland ist die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Multikulturalismus“ und demjenigen einer „Deutschen Identität“ von nahezu in Europa einmaligen Tabus geprägt. Heinrichs\' Buch hingegen bietet einen strukturellen Lösungsansatz, der wichtige Fragen ohne schöngeistige Appelle angeht.

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Die gegenwärtige Situation

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Multikulturalismus“ und demjenigen einer „Deutschen Identität“ von nahezu in Europa einmaligen Tabus geprägt. Die etablierten politischen Kräfte versichern sich in diesem Zusammenhang alltäglich und medienwirksam gegenseitig ihre gemeinsame Wichtigkeit im Bekämpfen des selbst geschaffenen Problems eines trotzdem immer noch abstrakt bleibenden „Extremismus“, den sie zumindest als solchen selbst medial und sprachlich zu ihrem eigenen Vorteil immer dann konstruieren, wenn sich jemand über deutsche Identität den Kopf zerbricht – wobei diese Denker wohl fühlen, daß dies doch immer mehr war und wieder sein kann, als bisher von staatlich alimentierten Bedenkenträgern glaubhaft gemacht wird.

Diese wiederum sitzen in Stiftungen, beteuern die Hochwertigkeit der eigenen Arbeit und merken kaum, daß sie lediglich der eigenen Ideologie, z.B. der des „Multikulturalismus“, aufsitzen, welche gehegt und gepflegt wird, um denjenigen unweigerlich herannahenden Tag hinauszuschieben, an dem diese Bedenkenträger und Monopolinhaber bundesdeutscher „Gedächtniskultur“ einmal selbst aufwachen und plötzlich „Nazi“ sind, ohne es gemerkt zu haben, da der Anwendungsbereich des rechtstaatlich völlig irrelevanten „Extremismus“ - Begriffsschrotts sich bei entsprechender politischer Motivation auf alle – auch auf sie - anwenden läßt.

Das ist die nachkriegsdemokratische und damit bundesdeutsche Realität, permanent ihre Dogmen reproduzierend, denkfaul, reduktionistisch und blind für eine wahrlich innovative weil strukturelle Herangehensweise an die nicht mehr von der Hand zu weisenden Fragen zur Zuwanderung oder zum „Multikulturalismus“. Sie übt sich im Umgang mit neuen Ansätzen und Büchern in einer relativierenden Rezeption, welche eine chronisch ablehnende Rezeption darstellt. Strukturelleres Denken wird nicht mehr als begrüßenswertes Hilfsmittel zur Lösung eines Problems anerkannt, sondern als bloße Negativfolie zur Profilierung der hegemonial etablierten aber längst versagenden Dogmen.

Rolf Stolz, Mitbegründer der Grünen Partei, der ein Buch zur Zuwanderungsdebatte schrieb, faßte diese Prozesse folgendermaßen zusammen: „Ausländerfeindlichkeit ist eine Reaktion auf das Totschweigen und Beschönigen von tatsächlichen politischen Problemen, die die unverhältnismäßige Zuwanderung den Inländern bereitet. Eine Reaktion auf das Totschweigen und Beschönigen tatsächlicher Schwierigkeiten, für die einzelne Gruppen von Ausländern verantwortlich sind und haftbar gemacht werden können. Eine Reaktion auf Hasserzeugung, Gewaltanwendung, Rücksichts- und Gedankenlosigkeit gegen Inländer. Eine Reaktion auf den Selbsthass, mit dem einige Deutsche Deutschland und das deutsche Volk überziehen.“ (Rolf Stolz: Deutschland, deine Zuwanderer. Fakten – Analysen - Chancen, 2002, S. 9/10)

Das Jahr 1994 und Johannes Heinrichs Schrift „Gastfreundschaft der Kulturen“

Diese Ausführungen, publiziert 2002, betonen die Notwendigkeit eine deutschen Identität und bringen zwar die Sachlage und notwendige Handlungsmaximen trefflich auf den Punkt, bieten aber keine genügend strukturelle weil philosophisch-erkenntnistheoretisch fundierte Herangehensweise aus derjenigen Sicht dar, die wir diejenige einer gesunden deutschen Identität nennen können.

Das ist umso enttäuschender, als eine strukturelle Lösung dieser Fragen bereits in einer 1994 veröffentlichten Schrift des Sozialphilosophen Johannes Heinrichs (geb. 1942) angeboten und publiziert wurde, welche aber seitdem kaum erwähnt wurde, obwohl die aktuelle Politik sich mehr und mehr in die 1994 von dieser Studie geforderte Richtung bewegt. Heinrichs’ Studie blieb aber – wen wundert es angesichts der bisher geschilderten Situation in der Bundesrepublik – kaum beachtet und ist inzwischen trotz ihrer unheimlichen Aktualität nahezu vergessen. Ihr soll gerade deshalb die vorliegende Besprechung gelten.

Johannes Heinrichs, der von 1998 bis 2002 Nachfolger des verstorbenen DDR-Dissidenten Rudolf Bahro (1935-1997) an der Berliner Humboldt-Universität zu Berlin am Lehrstuhl für Sozialökologie lehrte, verfasste seine Schrift mit dem Titel „Gastfreundschaft der Kulturen“ 1994, einer beunruhigenden Zeit, in der eine vergleichsweise geringe Anzahl von Menschen ihren eigentlich begründeten Frust verkehrt kanalisierte und im Anzünden von Asylantenheimen in Ost und West zum Ausdruck brachte. Hoyerswerda, Rostock, Mölln oder Solingen sind vielen Deutschen noch ein Begriff.

Heute sind wir über zehn Jahre weiter und das Problem bleibt ungelöst. Die Schrift von Heinrichs ist aber noch beziehbar und umso spannender – denn ihre Lösungsvorschläge sind aktueller geworden. Zudem wissen wir heute zugunsten einer gesunden Perspektive deutschen Selbstbewußtseins unweigerlich, daß z.B. nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz nur 9% der Brandstifter von Mölln nationalen Parteien und ähnlichen Organisationen angehörten. Es gilt heute ebenso zu bedenken, daß der Anlaß der Brandstiftung in Asylantenheimen – man denke an den Reichstagsbrand vom Februar 1933 und seine innenpolitischen Folgen inklusive des Ermächtigungsgesetzes – zum Vorwand genommen wurde, in ähnlicher NS-Manier von 1992-1994 zugleich 98 andere publizierte Schriften unerwünschten Inhalts im Zuge der bundesdeutschen antipluralistischen Verdachtstrategie zu indizieren.

Zudem wissen wir heute, daß Heinrichs Schrift, und dies kann zur Ignoranz gegenüber ihrem innovativen Inhalt beigetragen haben, in einer Zeit erschien, wo kriminelle Handlungen im Namen des Staates und „Neonazi“ -Aktivitäten z.B. durch den baden-württembergischen V-Mann „Axel Reichert“ initiiert wurden, um die genau zu dieser Zeit in der Wählergunst an Einfluß gewinnende Partei der Republikaner einem damit umso effektiverem Verbotsverfahren preiszugeben – schöne „freiheitliche“ Grundordnung! Auch der Brandanschlag von Solingen blieb bis heute hinsichtlich dessen ohne Konsequenz, daß der V-Mann Bernd Schmitt zu denjenigen gehörte, der die Jugendlichen betreut hat, welche anschließend auf dünner Beweislage wegen des Brandanschlags in Solingen verurteilt wurden. (Vgl. Schüßlburner/Knütter: Was der Verfassungsschutz verschweigt. Bausteine für einen alternativen Verfassungsschutzbericht, 2007, S. 213ff.)

Das Buch Heinrichs, der Versuch einer „überparteiliche[n] Selbstbesinnung“ (16) gegen „Partei- und Schulpolemik“ (16), erschien in diesen bundesdeutschen Wirren und blieb in dieser Zeit unerwähnt, verdrängt, unrezensiert, obwohl es die nachvollziehbarsten Lösungsvorschläge jenseits des amtlich und parteitaktisch inszenierten Moralismus und seiner Ablenkungsideologie geboten hätte. Heinrichs schrieb damals schon: „Man höre auf mit den unerträglichen Appellen an Liebe und Friedfertigkeit, wo strukturell Ungelöstes bleibt.“ (68) Worin liegt im das Strukturelle?

Kultur und „Multikultur“

Heinrichs betont deshalb in seiner kleinen, 128 Seiten umfassenden und sehr gut lesbaren Schrift, daß es höchste Zeit für eine Selbstbesinnung der Deutschen sei, die niemals zugleich mit einer Abkehr von unserer deutschen Identität einhergehen darf. So kommt er zu dem Schluß, daß das bis heute aktuelle Gerede von multikultureller Gesellschaft in hohem, ja erschreckendem Grade unüberlegt ist. Das besondere an dieser Schrift ist, daß der Autor das Problem deutscher Identität dezidiert als Kulturproblem betrachtet, als Problem eines deutschen Selbstverständnisses und einer deutschen Kultur, die neu zu definieren die wichtigste Voraussetzung zur Überwindung unserer nationalen Identitätsstörung und damit zur Schaffung gesunder Integrationsbereitschaft gegenüber Ausländern ist - tiefsinnige Worte in einer dafür ungünstigen weil an kollektiver Hysterie leidenden Zeit.

So geht für den Autor die primitive „Alternative von „ausländerfreundlich oder ausländerfeindlich“ hochideologisch am Kern der Fragen vorbei, wie es meist die sogenannten ethischen Appelle an den einzelnen tun, die strukturelles Bedenken und Lösen objektiv vorhandener Probleme ignorieren.“ (12) Heinrichs verläßt sich auf die nüchterne Kraft des Denkens und geht auf seine Weise an diese Fragen heran. Er bettet im Sinne seiner charakteristischen Theorie die menschliche Interaktion und die Gesellschaft in die von ihm schon 1976 beschriebenen vier Hauptebenen des Sozialen ein, die sich in einer staatlich organisierten Gesellschaft als vier Subsysteme ausgliedern: Wirtschaft, Politik, Kultur sowie die weltanschauliche Ebene der Grundwerte. (Johannes Heinrichs: Reflexion als soziales System, Bonn, 1976) Hier finden wir auch die zentrale Ebene der Kultur wieder, welche von der Sphäre des Politischen und damit auch des Ideologischen zu trennen ist.

Gemeinsame Kultur ist ihm in diesem Zusammenhang der Rest an deutscher Gemeinschaftlichkeit in unseren weltanschaulich pluralistischen Gesellschaften, der nicht aus ideologischen und parteitaktischen antideutschen Ressentiments geleugnet werden kann. Die „Währung“ der Kultur ist die gemeinsame - deutsche – Sprache. Eine Definition der deutschen Kultur allein vom Politischen her, wie es bisher in Deutschland unüberlegt beispielsweise über die Mogelpackung des „Verfassungspatriotismus“ der Fall ist, bedeutet vor diesem Hintergrund Vernichtung der Kultur gerade in ihrem Eigenen, wodurch sich die Deutschen als Kulturträger zurecht enttäuscht und verbittert zeigen dürfen.

So gelingt es Heinrichs sofort, die Dialektik von deutscher Kultur, Multi-(un)-kultur und der verbitterten Reaktion ausländerfeindlicher Unkultur zugunsten eines Entwurfes zu entschleiern, der eine Besonderheit aufgrund seiner tieferen Differenzierung darstellt - der Autor definiert in seinem Buch den Begriff Kultur im spezifischen, undogmatischen und für jeden Deutschen annehmbaren Sinne: „Kultur ist der Inbegriff dessen, was an vor-sprachlichen, sprachlichen und metasprachlichen (d.h. künstlerischen) Objektivationen aus einer Sprachgemeinschaft hervorgeht und den spezifisch kommunikativen Umgang, nicht primär und allein die politisch-rechtlichen Verkehrsformen, tief greifend prägt.“ (22) Kaum hat es in der Nachkriegszeit eine solche nüchterne und dennoch ausdrückliche Definition von dezidiert deutscher Kultur gegeben.

Damit gelingt es ihm aus einem fundamentalen Prinzip heraus, den bisher nicht erkannten und einzig sinnvoll möglichen Brückenschlag zum Begriff der „nationale Identität“ der Deutschen zu vollziehen, die also wissen sollte, daß „Multikultur ohne die Unterscheidung von gastgebender Kultur und Gastkultur“ in Kürze „eine Unkultur“ wird. (100) Denn nationale Identität ist für Heinrichs bewußter, als es die „demokratischen Kräfte“ der Bundesrepublik – man bedenke diesen heute wieder aktuell gewordenen DDR-Jargon – gewohnt sind, primär von der kulturellen Systemebene her zu definieren.

Eine Konsequenz daraus ist völlig verständlich und sollte heute an Bedeutung gewinnen: Die Parole „Deutschland den Deutschen“ ist für ein nationales Identitätsverständnis von Sprache und Kultur ebenso verkehrt, wie auf der anderen Seite die bisher gedankenlos praktizierte Selbstaufgabe der deutschen Kultur, auf die das übliche, unklare Multi-Kulti-Gerede hinausführt, zumal die Vertreter der politischen Klasse desselben Geredes am Stadtrand zu wohnen pflegen und das kultivierte Chaos in den Innenstädten im Alltag kaum erleben. Während sich Jürgen Habermas also genüßlich am Starnberger See und nicht in den verdreckten Straße Kreuzbergs sonnt, könnte man mit Heinrichs jetzt erst recht sagen: Eine starke und gesunde deutsche Kultur ist der Schlüssel zur funktionierenden Multikultur, die diesen Namen verdient.

Das Verständnis von „Deutscher Identität“ und „Gastfreundschaft“

In der Tat steht damit der Verfasser selbst als auch seine Theorie in der Tradition der deutschen Geisteskultur, welche oft in den Schriften Sebastian Haffners beschrieben wurde. Für Haffner atmet das deutsche Staats-, Politik- und nicht zuletzt auch Kulturverständnis den Geist differenzierter und freier Bildung, des Kosmopolitismus im fichteschen Sinne, des disziplinierten Vernunft- und Sittlichkeitsideals, der Liberalität und vor allem einer geistigen Tiefe, die zugleich tolerante Offenheit verheißt. (Vgl. Haffner, Sebastian 2000: Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914-1933, München, S. 209ff). So schließen sich also nationale Identität und internationale Offenheit nicht aus, was Heinrichs’ Konzept einer „Gastfreundschaft der Kulturen“ glaubhaft macht. Heinrichs selbst benutzt veranschaulichend ähnliche Wortpaare wie Haffner zur Charakterisierung des spezifisch Deutschen, das auch heute wieder der denkerische Schlüssel im Umgang mit komplexen Fragen geworden ist und offenbar schon viel früher hätte sein können: „Klarheit und Tiefe, Rationalität und Intuition, Intellektualität und Spiritualität“. (78-79)

Blicken wir auf die bisherige und erwiesenermaßen völlig kontraproduktive Haltung, „multikulturelle“ Einzelne ohne Zugehörigkeit zu einer gemeinschaftsbildenden Primärkultur zu bevorzugen, so ist die Bedeutung des traditionellen deutschen Kosmopolitismuskonzepts, wie es sich selbst in den Schriften Karl Goerdelers oder Edgar Jungs kundtut und sich der nivellierenden ‚Vergewaltigung’ anderer Kulturen enthält, vor allem in Anbetracht dessen von Bedeutung, daß das deutsche Grundgesetz unter dem Eindruck der deutschen Katastrophe explizit von der Gesamtheit des deutschen Volkes und seiner Kultur ausging.

So stellt die vorliegende Schrift Heinrichs’ ein erfreuliches Novum dar, welches sich der Propagierung des polykulturellen Durcheinanders enthält, trüge dies doch selbst zur Sinnentleerung des deutschen Grundgesetzes bei. Heinrichs schrieb dazu unter kaum veränderten Umständen noch im Jahr 2003: „Es darf kein Entweder-Oder von national und transnational geben, sondern eindeutig ein mehrstufiges Sowohl-als-auch.“ (Johannes Heinrichs: Revolution der Demokratie. Eine Realutopie für die schweigende Mehrheit, 2003, S. 385) Er unterscheidet also folgerichtig zwischen gastgebender (jeweils primärer) Kultur und Gastkulturen (jeweils sekundären Kulturen), was die gesunde Voraussetzung dafür sei, daß die eigene kulturelle Identität bewahrt und andere Kulturen zugleich gastfreundschaftlich aufgenommen werden können. Zu diesem Sachverhalt sei zum Vergleich nochmals Heinrichs in der hier zu besprechenden Schrift von 1994 zitiert: Das „delikate Gleichgewicht zwischen Kosmopolitismus und Patriotismus“ (56) sei schon immer das spezifisch Deutsche gewesen.

Selbst der große Lehrmeister der Deutschen, Johann Gottlieb Fichte Fichte (1762-1814), betont die kulturelle Bildung der Nation als Vorstufe zur rein menschlichen Bildung. Er synthetisiert Weltbürgertum und Patriotismus mit dem Ziel der Organisation menschlicher Gesellschaft nach dem Bilde der Vernunft und der Maxime staatspolitischer Unabhängigkeit. (Vgl. Fichte, Johann Gottlieb von 1869: Reden an die deutsche Nation [1808]. Historisch-politische Bibliothek, Berlin.) Damit spricht er sich für einen bürgerlichen Patriotismus von Menschen gleicher Sprache und Kultur als mikrokosmischer Prämisse für einen menschheitlichen Makrokosmos – also sinngemäß für eine „Gastfreundschaft der Kulturen“ - aus, ohne die Souveränität der Völker und ihrer jeweiligen Kultur zu leugnen.

Heinrichs ergänzt damit das Konzept des Ethnopluralismus des französischen Philosophen Alain des Benoist (geb. 1943) um eine spezifisch deutsche Dimension. Für de Benoist ist die kulturelle Homogenität wichtig, weil er eine kulturalistische Differenzierung ethnischer Zuschreibungen vornimmt. (Vgl. Alain de Benoist: Aufstand der Kulturen, 2003, Berlin) Heinrichs thematisiert die deutsche Variante eines ausschließlich kulturell definierten selbstbewußten Pluralismus von der Sprache her. Mangelnde Unterscheidungsfähigkeit ist also derzeit das größte Hindernis, auftretend im Gewand internationalistischer, völlig indifferenter und damit in letzter spürbarer Konsequenz immer geheuchelter „Gastfreundschaft“.

Heinrichs betont deshalb die Leistung des traditionellen deutschen Denkvermögens in Philosophie und Geschichte, das in spezifischem Sinne zur Geltung zu bringen merklich das zentrale Anliegen der vorliegenden Schrift ist: „Deutschlands Berufung, das heißt auch sein positiver Beitrag für die Welt, liegt im Denkerischen oder in der Verbindung von Kunst und Denken, das Naturwissenschaftlich-Technische eingeschlossen, jedoch stets in Beziehung zu der Ganzheitsdisziplin Philosophie, die – selbst eine „Kunst der Begriffe“ (Immanuel Kant) – das Denken mit den Künsten verbindet.“ (52) Deutschland als Staat ist ihm also kein bloß ökonomischer Betrieb, kein zur Kruste erstarrtes und von der Konversion von Rechten in abstrakte Werte geprägtes Grundgesetz, welches inzwischen zu einer hypermoralisch instrumentalisierten Supraverfassung degeneriert. Auch sind ihm Gesellschaft oder gar Nation keine lediglich rechtlich-politischen Begriffe, da sie ihren Fundamentalkontext ohnehin erst durch eine sie prägende Kultur erhalten. Damit vollzieht der Autor einen weiteren wesentlichen Schritt mit erfreulicher Entschlossenheit.

Deutsche Kultur ist selbst die Notwendigkeit, Ausländer sinnvoll zu integrieren und sie bleibt zur Lösung dieses Problems selbst immer an die traditionelle deutsche Philosophie gebunden. (78) „Je stärker unsere nationale Identität ist, um so mehr Menschen können wir im Notfall integrieren.“ (118) Auch eine doppelte Staatsangehörigkeit – so Heinrichs - darf nicht zum Vorwand dienen, in Deutschland auf Dauer kulturell ausländische Gettos oder Enklaven zu errichten. Die ursprüngliche kulturelle Identität von „Gastarbeitern“ beispielsweise wird, wenn man den Argumentationsstrang des Autors aufnimmt, nicht einfach in die gastgebende Kultur hinein aufgelöst, sondern zugleich auch erhalten – aber als sekundäre Kultur, die in dem Sinne sekundär ist, daß sie sich zusätzlich zur verbindenden Mutterkultur entfalten kann, wie dies in den USA im Hinblick auf die Herkunftskulturen möglich ist.

Erkenntnistheoretisch fundiert kann ein denkender Mensch mit Heinrichs nur zu folgender Haltung gelangen: Individuen definieren sich als „Selbtbezug-im-Fremdbezug“, wobei der Selbstbezug, die eigene Identität, der Primärbestandteil im Prozeß menschlichen Selbsbewußtseins ist, welcher sich nach außen kehrt und des Objektiven und Anderen ebenso als Korrelat zum Eigenen bedarf. Das selbstbewußte Individuum weiß nämlich auch, daß auch die objektive Welt wesentlich durch die Vorstellung des Subjekts vorhanden, in ihm immer nur bewußtseinsimmanent ist. Es ist dies tatsächlich die Theorie der Subjekt-Objekt-Korrelation, die jegliche dogmatische Politik, Religion und menschliche Haltung nicht zu erkennen gewillt ist, obwohl diese Dogmatik der Theorie einer Subjekt-Objekt-Korrelation durch das principium individuationis selbst in Permanenz unweigerlich unterliegt – die eigenen Dogmen vorrangig auch immer aus sich selbst erschafft. Dogmen sind also niemals nur objektiv annehmbar und vermeintlich unhinterfragbar. Vielmehr sind sie auch Produkt des menschlichen Vorstellungsvermögens. Womöglich meint Heinrichs gerade in Bezug auf die Deutschen diesen Sachverhalt des nötigen Bewußtseins von der Subjekt-Objekt-Korrelation, wenn er von gesteigerter „Reflexions- oder Innerlichkeitskultur“ spricht. (74)

Von der Komplizenschaft zwischen gedankenlosen Multikulti-Rednern und ausländerfeindlichen Ausschreitungen

Interessant ist im Zusammenhang mit dem vorliegenden Plädoyer des Verfassers für eine Vielfalt lebendiger Nationalkulturen vor allen Dingen seine Verbindung, die er zwischen den Verfechtern der „Multi-Kulti“-Ideologie und den frustrierten Gewalttätern gegenüber Ausländern sieht. Ein kollektiver deutscher Masochismus, der darin bestünde, den Anspruch einer verbindlichen Basiskultur auf deutschem Sprachgebiet aufzugeben, schlägt für Heinrichs unvermeidlich in Sadismus Einzelner um, so daß die Zerstörung der nationalen Identitäten in Deutschland durch das Wirken der etablierten Politiker mit ihren wirkungslosen Appellen und öden Aufrufen zum „Kampf gegen den Extremismus“, bei denen jeder mit der bei Aldi schnell besorgten Kerze ganz vorn zu stehen gedenkt, gerade gewalttätige Ausschreitungen gegenüber Ausländern provoziert.

Dies geschieht solange, bis dem berechtigten Interesse aller Kulturnationen nach Identität massenwirksam Rechnung getragen wird. Heinrichs bilanziert: Sowohl die „Blindheit der in Wahrheit unkommunikativen Diskurstheorie [Habermas’] für national-kulturelle Werte, die sich niemals diskursiv erklären lassen“ (26), als auch bundesdeutschen Politiker tragen Verantwortung für diese Ausschreitung. Es leuchtet dem Leser hier unmittelbar folgendes ein: Sogenannte „Extremisten“ werden ja wirklich nicht als solche geboren, sondern sind primär eigenes Produkt des Staates, der sie medienwirksam und entgegen dem Prinzip der Menschenrechte konstruiert, mit Verachtung überhäuft – ignorant gegenüber der Tatsache, sie damit trotzdem selbst immer wieder zu erzeugen.

Die Verleugner der deutschen Nation, die Heinrichs in deutscher Tradition als „Gemeinschaftsgebilde aus Herkunft und Geschichte, verbunden in der Kreation einer Kultur, umgrenzt durch die gemeinsame Sprache“ (50) definiert, stehen also in unerkannter Mittäterschaft zu den gewaltbereiten Jugendlichen. Hier ließe sich eine zutreffende Analogie zu einer Aussage Friedrich Nietzsches (1844-1900) vornehmen, der in seinem posthum veröffentlichen Werk „Der Wille zur Macht“ schrieb: „Extreme Positionen werden nicht durch ermäßigte abgelöst, sondern wiederum durch extreme, aber umgekehrte.“ (Friedrich Nietzsche: Der Wille zur macht, 2006, § 55, S. 47)

So stehen sich also „extremistische“ Multikulturalisten und „extremistische“ Gewalttäter gegenüber. Beide gehören in den Verfassungsschutzbericht – und wir können sagen, daß beide unter fundamentaler Denkhemmnis und kaum zu überbietender Immunschwäche gegenüber schöngeistigen bzw. gewaltverherrlichenden Appellen leiden.

Und so kommt Heinrichs bereits 1994 zu folgender nachdenklich stimmender Prognose, die sich bis ins Jahr 2007 hinein bewahrheiten sollte: „Das Schwanken zwischen Selbstverleugnung und nationalistischem Auftrumpfen wird weitergehen, solange wir uns nicht entschließen, ernsthaft nach je eigener und damit auch nach nationaler Identität zu fragen. (…) Das „heilige Deutschland“, mit dem auf den Lippen in Graf von Stauffenberg den Todesschuß empfing, läßt sich nicht von den Oberflächlichen und Philistern verleugnen, ohne daß Dämonen freigesetzt werden, (…).“ (70)

Bilanz

Das Buch von Johannes Heinrichs bringt eine unglaubliche aber notwendige Welle von Anregungen zur Betrachtung bundesdeutscher Realitäten bis in die Gegenwart hinein mit sich. Zugleich lernt der Leser, daß das 3. Reich an der deutschen Berufung, Probleme strukturell und nicht appellativ zu lösen, trotz Konsumwelle, Tagesjournalismus und Fachidiotie, trotz amtlicher Verrufserklärungen, amtlicher Einschränkung des politischen Pluralismus und trotz eines krampfhaft kultivierten Antigermanismus nichts verändert hat. Umfassendes Denken gilt also weiter als spezifisch deutsche Stärke (63), und wir können nach vollendeter Lektüre feststellen, daß sich der Verfasser aus Überzeugung nach dieser Maxime richtet, um eine tatsächlich nicht abnehmende Anzahl von „Dämonen“ zu bekämpfen.

Die bundesdeutschen Bedenkenträger – beispielsweise der Zentralrat der Juden - haben dabei eines zu lernen: Es macht keinen Sinn, die durch Übernutzung längst zerkratzte Langspielplatte der „geistigen Brandstiftung“ abzuspielen, sobald sich in Deutschland etwas wirklich strukturelles bewegt, wenn nicht auch auf jüdischer Seite die Selbstreflexion einsetzt und auf jüdischer Seite erkannt wird, daß z.B. die ganze Rassenidee wesentlich aus der verschleierten Ineinssetzung von Volk und Religion folgt und daß der Anspruch auf eine – zumal gerade in Deutschland mit moralischem Bonus behaftete und sich überall einmischende – jüdische Sonderrolle religiös verbrämter Rassismus ist, der eigentlich zurecht seine Gegner heraufbeschwört.

Heinrichs selbst benennt seine praktische Konsequenz: Er fordert, daß der „Straftatbestand der nationalen Beleidigung des gastgebenden Landes ins Ausländerrecht oder ins Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen werden müßte.“ (117) Damit hat er recht. Man sollte aber zudem im Sinne einer deutschen Identität ergänzen, daß auch von der leicht abrufbaren weil auf konditionierten Reflexen beruhenden Deutschfeindlichkeit in Form eines Bewältigungsrassismus keine sinnvolle Befriedung von Identitätskonflikten mehr zu erwarten ist und daß deshalb der § 130 StGB („Volksverhetzung“) bei konsequenter Anwendung auch für die Hetze gegenüber der deutschen Identität zu gelten habe. Zweierlei Maß ist im Juristischen unglaubwürdig! Die negative Dreifaltigkeit der bundesdeutschen Zivilreligion, bestehend aus „Antisemitismus“, „Rassismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ harrt künftig einer strukturelleren Lösung, zu der mit dieser Schrift bereits rechtzeitig richtige Weichen gestellt worden sind, denn bisher brachte noch jede Religion, offenbar auch jede Zivilreligion, ihre – in verächtlicher Manier gesprochen - Ketzer hervor. Man könnte jene „Ketzer“ einfach auch „denkende Menschen“ nennen.

Solange wir Heinrichs’ Weichen nicht befahren, bleibt es dem kulturell bewußten Deutschen, wenn der Staat ein Moloch ist und seine Institutionen versagen, nur übrig, seine deutsche Umwelt, sein geistreicheres Refugium, auf eigene Faust zu erschaffen. Wir können über diese Denkenden, Liebenden, Hoffenden, Leidenden, Ergründenden und Verzweifelten Menschen in unserem Lande das festhalten, was schon Ernst Jünger in seinem „Waldgang“ sah: „Der Einzelne ist immer noch weiser, als die gesamte Organisation.“

geschrieben am 15.05.2007 | 3364 Wörter | 22727 Zeichen

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