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Preußentum und Sozialismus


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Rezension von

Daniel Bigalke

Preußentum und Sozialismus Ist Sozialismus mit Marxismus identisch? Die Antwort ist „nein“. Marx kann lediglich als Stiefvater des Sozialismus betrachtet werden, denn es gab ein politisches Denken in Deutschland, welches sich von der herkömmlichen ökonomischen Kritik Marx' unterschied. Die überaus erfolgreiche Kernschrift zu dieser Dimension stammt aus der Feder Oswald Spenglers und nennt sich „Preußentum und Sozialismus“ (1919). Sie ist 2007 wieder neu gedruckt erschienen und sehr preiswert beim Superbia-Verlag in Leipzig zu erhalten. Worum ging es Spengler in dieser Schrift, deren Kontext in Erwägung zu ziehen wieder begonnen werden sollte? Anklänge finden wir in Spenglers Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ (1923): „Gesetzt, daß der Sozialismus ethisch, nicht wirtschaftlich verstanden, das Weltgefühl ist, welches die eigene Meinung im Namen aller verfolgt, so sind wir ohne Ausnahmen Sozialisten, ob wir es wissen, wollen oder nicht.“ (Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1923, Bd.1, S. 433) Es geht also um das Erwägen des Ganzen als Weltgefühl, mit welchem Spengler mit einer Konzeption des deutschen Sozialismus die Befreiung von Marx überzeugend darlegt. Selbst der Marxist Georg Lukacs stellte sich einst die Frage, ob es sich lohne, diese Schrift zu lesen, hielt er ihren Ansatz für „nicht uninteressant“, obwohl er sich für ihn nicht wesentlich von den seit Dühring & Co. bekannt gewordenen „Überwindungen“ des Marxismus, die seit jeher in der Verherrlichung des preußischen Staates gipfelten, unterscheiden würde. Spenglers Schrift enthält aber mehr, eine Grundkritik, eine deutsche Dimension des Denkens über den Sozialismus. Typologie abendländischer Revolutionen Werden die Ergebnisse der marxistischen Staatsanalyse unmittelbar zu Momenten des ideologischen Klassenkampfes und der proletarischen Revolution als Zeichen der menschlichen Emanzipation, so entwirft Spengler eine Typologie der abendländischen Revolutionen. Nur benutzt er diese Typologie im vorliegenden Buch, um zu zeigen, dass die Deutschen neben England und Frankreich einen Sonderweg darstellen. Das bekräftigt sein Modell des preußischen Staatssozialismus. Es gibt für ihn die ehrwürdige, die großartige und die lächerliche Revolution. Allen diesen Formen liege dabei die eine Machtfrage zu Grunde: „Ist der Wille des Einzelnen dem Gesamtwillen zu unterwerfen oder umgekehrt?“ Diese Machtfrage - und das ist der relevante Punkt - wird von den drei für ihn spätesten Völkern des Abendlandes instinktiv beantwortet: „Der englische Instinkt entschied: die Macht gehört dem Einzelnen. Freier Kampf des Einen gegen den Anderen; Triumph des Stärkeren: Liberalismus und Ungleichheit. Kein Staat mehr (...).“Der französische entschied: „Die Macht gehört niemand.“ Hier zeigt sich die Form von französischem Anarchismus. Es gibt keinen Staat, sondern die Gleichheit aller, was wohl an die Schlagworte der französischen Revolution erinnert: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Beides heißt für beide Staaten Demokratie und von einem Klassenkampfe im marxistischen Sinne ist jeweils keine Rede. Der Fehler der deutschen Revolution besteht für Spengler darin, dass die Deutschen nicht nach Instinkt gehandelt haben, sondern sich die Ideale von Marx zu eigen machten. Die Andersartigkeit der deutschen Machtidee wurde damit gleichsam übersehen und der deutsche Instinkt unterminiert. Der deutsche, Spengler bezieht es auf den preußischen Instinkt, sei: Die Macht gehört dem Ganzen. Der Einzelne dient ihm. Das Ganze ist souverän - der König ist nur der erste Diener seines Staates. Jeder erhält dabei seinen Platz in der Gesellschaft zugewiesen. Es ist dabei zu erkennen, dass für Spengler altpreußischer Geist und sozialistische Gesinnung ein und dasselbe sind. Die marxistischen Ideen hätten die Form von deutscher Revolution entfremdet. Der angeborene Instinkt bestimme in Preußen die Form der Gesellschaft und nicht der Klassenkampf. Das ist ein essentieller Punkt zur inhaltlichen Unterscheidung beider Theorien. Diese Unterscheidung wurde erstmals überzeugend von Spengler in der vorliegenden Schrift vorgenommen. Preußentum als Inbegriff für Tatkraft, Ehrlichkeit, Fleiß und Dienst fürs Ganze Das Preußentum von Spengler ist aber nicht mit dem Staat Preußen gleichzusetzen, sondern vielmehr eine generelle Grundeinstellung, welche den deutschen Raum prägte. Nur so konnte z.B. hinsichtlich der auswärtigen Politik das moderne Deutsche Reich als Erbe oder Abkömmling Preußens betrachtet werden. In der Geschichte Preußens ist mit der Aufeinanderfolge begabter Monarchen und der für ihre Untertanen charakteristischen Tatkraft und Liebe zu ehrlicher Arbeit vielleicht die bemerkenswerteste Erscheinung der Prozess, durch den der feste Bau einer europäischen Großmacht errichtet wurde. Diese verkörperte ihr eigenes Ethos. Selbst der Begriff der Rasse bedeutet bei Spengler in der vorliegenden Schrift nicht die biologische Rasse, sondern erhält einen Kontext, der sich auf ein spezielles Ethos bezieht. Eine Rasse ist für ihn eine Gemeinschaft von Menschen mit gleichen Gedanken und Zielen. Jeder Deutsche könne Preuße sein und für ihn sei bezeichnend seine „Summe von Tatsachensinn, Disziplin, Korpsgeist, Energie“. Nur die Theorie von Marx habe das Reich der Bauern und Beamten in Stände aufgegliedert. Betont werden bei Spengler die sittlichen Imperative des Ordensgeistes der Deutschritter, wie Spengler vergleichsweise verdeutlicht, im Unterschied zu denen der Wikinger, also der Engländer. Sie stünden sich sodann konträr in ihrer Lebenshaltung als Sozialismus und Individualismus gegenüber. Die selbstlose Entsagung und Zucht der Preußen steht der persönlichen Freiheit des Engländers, begünstigt durch die Insellage, gegenüber. Spengler versucht damit zu zeigen, dass es der Weg der Deutschen sei, dem Einzelnen nach Maßgabe seiner praktischen, sittlichen und geistigen Fähigkeiten ein bestimmtes Maß an Befehl und Gehorsam zuzuordnen, welches zugleich Freiheit für den Einzelnen gerade im Dienst im Hier und Jetzt verbürgt. Das leitet er direkt aus dem Ordensgeist der Deutschritter ab, der mit der Exaktheit einer Maschine gearbeitet arbeite. Ein solcher Staat werde vom Gemeingefühl der Aufgabe und der Arbeit getragen und sei damit auf spezifische Weise sozialistisch – und natürlich erfolgreich in jeglicher Hinsicht. Sozialität und Sozialpflichtigkeit als Elemente politischen Erfolgs Im Grunde kann man Spenglers Schrift heute als den innovativsten Versuch der Versöhnung des preußischen Staates mit dem Sozialismus lesen. Seine Herleitung ist überzeugend fundiert und an Tatsachen orientiert. Es versteht sich, dass der Parlamentarismus als „spezifisch englisches Gewächs“ verstanden wurde und Übertragen auf Deutschland „Unsinn oder Verrat“ bedeuten würde. Wie bei Nietzsche wird die preußische Elite in ihren Eigenschaften als Ergebnis von Züchtung und Ordnung verstanden. Die Signatur seiner Zeit ist unverwischbar. Ob Spengler Parlamentarismus, Sozialismus und Konservatismus in ihrem Wesen erfasst hat, ist nicht so wichtig wie die Tatsache, dass ein gemeinsames Ziel, möglicherweise auch ein Feindbild, im Gemeinwesen festigend wirkt. Auch die Rolle der Akzeptanz von Autorität ist in Spenglers Konzeption ebenso wie heute nicht von der Hand zu weisen. So hat der linksideologische Ansatz, wonach alle Menschen mehr oder weniger gleich seien und bei gleichen sozialen Bedingungen zu vergleichbaren Leistungen gebracht werden könnten, nachhaltig versagt. Ein Beispiel gibt das deutsche Schulwesen heute ab, wo Gesamtschulen bis heute soziale Bildungsbarrieren nicht abgebaut haben und Privat- und Eliteschulen einfach besser abschneiden. Der durch die rot-grüne Bundesregierung einst herbeigeführte gesellschaftliche Wandel trägt ein hohes Maß an Verantwortung für das miserable Abschneiden der deutschen Schüler im internationalen Vergleich. Entgegen dem Einwand, dass Spengler den marxistischen, ökonomisch-soziologischen Antagonismus mit seinem Buch ins völkerpsychologisch-metaphysische verschoben habe, ist vielmehr zu erkennen, dass ein Fundament dieser Art von preußischem Sozialismus, dieser Solidargemeinschaft, dieser Gesellschaft, in der das Aufgehen der Einzelwillen in einem Gesamtwillen zentral war, Erfolge durch Fleiß und Disziplin bei gleichzeitig spürbarer Freiheit für den Einzelnen tatsächlich gewährleistete. Der preußische Staatssozialismus steht bei Spengler unter der Führung einer aristokratischen Führungselite, die an der Spitze des Gesamtwillens steht. Spenglers Theorie ist Ausdruck eines Patriotismus des Preußentums. Wesentlich aber sind andere Konsequenzen, die Spengler aus dem ethischen Sozialismus des Preußentums zieht. Arbeit ist keine Ware sondern die Pflicht der Allgemeinheit und es gibt keinen Unterschied zwischen der sittlichen Würde der Arbeit, den bereits Marx abzuschaffen versucht hat. Jede Arbeit ist gleichrangig im Dienste für das Ganze. Es ist auch heute das konstitutive Element politischer Verantwortung im parlamentarischen Staate, dass der geschlossene politische Verband auf Sozialität, Gegenseitigkeit und Sozialpflichtigkeit gründet. Das gilt für alle Bürger. Die Gewährleistung politischer Freiheit ist zwingend mit der rechtlichen Verpflichtung der Bürger gegenüber und innerhalb des Gemeinwesens verbunden. In diesem Sinne nehmen Grundrechte und Grundpflichten überhaupt erst Gestalt an. Der Staat hebt in einer solchen Solidargemeinschaft für Spengler den Klassenkampf auf. Er setzt den Lohn für jede Arbeit fest und zwar nach Maßgabe der wirtschaftlichen Gesamtlage. An der Spitze steht der Verwaltungsstaat, in Preußen ohnehin effektiv aufgebaut. Das eigentliche Ziel sieht Spengler damit erreicht: Die Aufhebung von Kapitalismus und Marxismus. Das ist der Zukunftsstaat, den er sich wünscht. Der Staat dürfe nicht unter Wirtschaftsmächte gestellt werden. Diese Ansichten weisen noch heute auf grundlegende Probleme hin, denen man sich machtlos gegenüberstehen sieht:; Korruption, Postenwirtschaft, Kungelei. Spengler zeigt mit diesem Buch, dass er ein Mensch der Realität war, jemand, der darauf aufmerksam machte, dass der Staat kein Selbstbedienungsladen ist und dass das demokratische System mit jedem Vergehen darunter leiden wird. Bilanz: Notwendigkeit neuer mentaler Grundeinstellungen So lässt sich bilanzieren, dass der Sozialismus, je nach Verständnis, nicht mit dem Marxismus identisch sein muss. Bei dem Versuch, den Sozialismus mit dem Konservatismus zu versöhnen, kommt es auf eine enge Frömmigkeit an, die durch die fortschreitende Lethargie, den Hedonismus und den progressive Verlust des Willens, überhaupt Dienst am Ganzen und damit für sich zu leisten, bedroht erscheint. Das einheitliche Voranschreiten im Sinne Spenglers hatte das Ziel einer größtmöglichen gesellschaftlichen Geschlossenheit, einer geschlossene inneren Verfassung des Staates für eine optimale Handlungsfähigkeit. Es ist ein Fehler gewesen, die marxistische Ökonomiekritik des Manchesterkapitalismus so auf Deutschland zu übertragen, wie es versucht worden ist. Marx hat durch eine mehr verblüffende als richtige Konstruktion versucht, diese Tatsache dort zum Rang einer Idee zu erheben, wo es völlig unangebracht war. Die bei Marx als Ökonomismus beschriebene, in der Regel als Materialismus bezeichnete Annahme, dass das gesellschaftliche Sein der Menschen ihr Bewußtsein bestimmt - und nicht umgekehrt - ist zum Anlass einer Tradition der Ideologiekritik geworden. Es ist die Theorie der Klassenbildung und des Klassenkonfliktes, wie Spengler bereits richtig erkannt hat. Die marxistische Ökonomie ist von marginaler Bedeutung. Sie hat den Begriff der politischen Ökonomie und die Auffassung einer Gleichrangigkeit aller Arbeit bei gleichzeitiger Notwendigkeit einer jeden Arbeit diskreditiert zugunsten des kultivierten Frustes der Schlecht-Weggekommenen. Es wird heute wohl niemand bezweifeln, daß vielmehr ein gemeinsames Mehr an Ordnung, Pflichtbewußtsein, Selbstdisziplinierung und gesellschaftlichem Zusammenhalt als mentaler Grundeinstellung überfälliger ist als je zuvor.

Ist Sozialismus mit Marxismus identisch? Die Antwort ist „nein“. Marx kann lediglich als Stiefvater des Sozialismus betrachtet werden, denn es gab ein politisches Denken in Deutschland, welches sich von der herkömmlichen ökonomischen Kritik Marx' unterschied. Die überaus erfolgreiche Kernschrift zu dieser Dimension stammt aus der Feder Oswald Spenglers und nennt sich „Preußentum und Sozialismus“ (1919). Sie ist 2007 wieder neu gedruckt erschienen und sehr preiswert beim Superbia-Verlag in Leipzig zu erhalten. Worum ging es Spengler in dieser Schrift, deren Kontext in Erwägung zu ziehen wieder begonnen werden sollte? Anklänge finden wir in Spenglers Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes“ (1923): „Gesetzt, daß der Sozialismus ethisch, nicht wirtschaftlich verstanden, das Weltgefühl ist, welches die eigene Meinung im Namen aller verfolgt, so sind wir ohne Ausnahmen Sozialisten, ob wir es wissen, wollen oder nicht.“ (Spengler, Der Untergang des Abendlandes, 1923, Bd.1, S. 433) Es geht also um das Erwägen des Ganzen als Weltgefühl, mit welchem Spengler mit einer Konzeption des deutschen Sozialismus die Befreiung von Marx überzeugend darlegt. Selbst der Marxist Georg Lukacs stellte sich einst die Frage, ob es sich lohne, diese Schrift zu lesen, hielt er ihren Ansatz für „nicht uninteressant“, obwohl er sich für ihn nicht wesentlich von den seit Dühring & Co. bekannt gewordenen „Überwindungen“ des Marxismus, die seit jeher in der Verherrlichung des preußischen Staates gipfelten, unterscheiden würde. Spenglers Schrift enthält aber mehr, eine Grundkritik, eine deutsche Dimension des Denkens über den Sozialismus.

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Typologie abendländischer Revolutionen

Werden die Ergebnisse der marxistischen Staatsanalyse unmittelbar zu Momenten des ideologischen Klassenkampfes und der proletarischen Revolution als Zeichen der menschlichen Emanzipation, so entwirft Spengler eine Typologie der abendländischen Revolutionen. Nur benutzt er diese Typologie im vorliegenden Buch, um zu zeigen, dass die Deutschen neben England und Frankreich einen Sonderweg darstellen. Das bekräftigt sein Modell des preußischen Staatssozialismus. Es gibt für ihn die ehrwürdige, die großartige und die lächerliche Revolution. Allen diesen Formen liege dabei die eine Machtfrage zu Grunde: „Ist der Wille des Einzelnen dem Gesamtwillen zu unterwerfen oder umgekehrt?“ Diese Machtfrage - und das ist der relevante Punkt - wird von den drei für ihn spätesten Völkern des Abendlandes instinktiv beantwortet: „Der englische Instinkt entschied: die Macht gehört dem Einzelnen. Freier Kampf des Einen gegen den Anderen; Triumph des Stärkeren: Liberalismus und Ungleichheit. Kein Staat mehr (...).“Der französische entschied: „Die Macht gehört niemand.“ Hier zeigt sich die Form von französischem Anarchismus. Es gibt keinen Staat, sondern die Gleichheit aller, was wohl an die Schlagworte der französischen Revolution erinnert: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Beides heißt für beide Staaten Demokratie und von einem Klassenkampfe im marxistischen Sinne ist jeweils keine Rede.

Der Fehler der deutschen Revolution besteht für Spengler darin, dass die Deutschen nicht nach Instinkt gehandelt haben, sondern sich die Ideale von Marx zu eigen machten. Die Andersartigkeit der deutschen Machtidee wurde damit gleichsam übersehen und der deutsche Instinkt unterminiert. Der deutsche, Spengler bezieht es auf den preußischen Instinkt, sei: Die Macht gehört dem Ganzen. Der Einzelne dient ihm. Das Ganze ist souverän - der König ist nur der erste Diener seines Staates. Jeder erhält dabei seinen Platz in der Gesellschaft zugewiesen. Es ist dabei zu erkennen, dass für Spengler altpreußischer Geist und sozialistische Gesinnung ein und dasselbe sind. Die marxistischen Ideen hätten die Form von deutscher Revolution entfremdet. Der angeborene Instinkt bestimme in Preußen die Form der Gesellschaft und nicht der Klassenkampf. Das ist ein essentieller Punkt zur inhaltlichen Unterscheidung beider Theorien. Diese Unterscheidung wurde erstmals überzeugend von Spengler in der vorliegenden Schrift vorgenommen.

Preußentum als Inbegriff für Tatkraft, Ehrlichkeit, Fleiß und Dienst fürs Ganze

Das Preußentum von Spengler ist aber nicht mit dem Staat Preußen gleichzusetzen, sondern vielmehr eine generelle Grundeinstellung, welche den deutschen Raum prägte. Nur so konnte z.B. hinsichtlich der auswärtigen Politik das moderne Deutsche Reich als Erbe oder Abkömmling Preußens betrachtet werden. In der Geschichte Preußens ist mit der Aufeinanderfolge begabter Monarchen und der für ihre Untertanen charakteristischen Tatkraft und Liebe zu ehrlicher Arbeit vielleicht die bemerkenswerteste Erscheinung der Prozess, durch den der feste Bau einer europäischen Großmacht errichtet wurde. Diese verkörperte ihr eigenes Ethos. Selbst der Begriff der Rasse bedeutet bei Spengler in der vorliegenden Schrift nicht die biologische Rasse, sondern erhält einen Kontext, der sich auf ein spezielles Ethos bezieht. Eine Rasse ist für ihn eine Gemeinschaft von Menschen mit gleichen Gedanken und Zielen. Jeder Deutsche könne Preuße sein und für ihn sei bezeichnend seine „Summe von Tatsachensinn, Disziplin, Korpsgeist, Energie“. Nur die Theorie von Marx habe das Reich der Bauern und Beamten in Stände aufgegliedert. Betont werden bei Spengler die sittlichen Imperative des Ordensgeistes der Deutschritter, wie Spengler vergleichsweise verdeutlicht, im Unterschied zu denen der Wikinger, also der Engländer. Sie stünden sich sodann konträr in ihrer Lebenshaltung als Sozialismus und Individualismus gegenüber. Die selbstlose Entsagung und Zucht der Preußen steht der persönlichen Freiheit des Engländers, begünstigt durch die Insellage, gegenüber. Spengler versucht damit zu zeigen, dass es der Weg der Deutschen sei, dem Einzelnen nach Maßgabe seiner praktischen, sittlichen und geistigen Fähigkeiten ein bestimmtes Maß an Befehl und Gehorsam zuzuordnen, welches zugleich Freiheit für den Einzelnen gerade im Dienst im Hier und Jetzt verbürgt. Das leitet er direkt aus dem Ordensgeist der Deutschritter ab, der mit der Exaktheit einer Maschine gearbeitet arbeite. Ein solcher Staat werde vom Gemeingefühl der Aufgabe und der Arbeit getragen und sei damit auf spezifische Weise sozialistisch – und natürlich erfolgreich in jeglicher Hinsicht.

Sozialität und Sozialpflichtigkeit als Elemente politischen Erfolgs

Im Grunde kann man Spenglers Schrift heute als den innovativsten Versuch der Versöhnung des preußischen Staates mit dem Sozialismus lesen. Seine Herleitung ist überzeugend fundiert und an Tatsachen orientiert. Es versteht sich, dass der Parlamentarismus als „spezifisch englisches Gewächs“ verstanden wurde und Übertragen auf Deutschland „Unsinn oder Verrat“ bedeuten würde. Wie bei Nietzsche wird die preußische Elite in ihren Eigenschaften als Ergebnis von Züchtung und Ordnung verstanden. Die Signatur seiner Zeit ist unverwischbar. Ob Spengler Parlamentarismus, Sozialismus und Konservatismus in ihrem Wesen erfasst hat, ist nicht so wichtig wie die Tatsache, dass ein gemeinsames Ziel, möglicherweise auch ein Feindbild, im Gemeinwesen festigend wirkt. Auch die Rolle der Akzeptanz von Autorität ist in Spenglers Konzeption ebenso wie heute nicht von der Hand zu weisen. So hat der linksideologische Ansatz, wonach alle Menschen mehr oder weniger gleich seien und bei gleichen sozialen Bedingungen zu vergleichbaren Leistungen gebracht werden könnten, nachhaltig versagt. Ein Beispiel gibt das deutsche Schulwesen heute ab, wo Gesamtschulen bis heute soziale Bildungsbarrieren nicht abgebaut haben und Privat- und Eliteschulen einfach besser abschneiden. Der durch die rot-grüne Bundesregierung einst herbeigeführte gesellschaftliche Wandel trägt ein hohes Maß an Verantwortung für das miserable Abschneiden der deutschen Schüler im internationalen Vergleich. Entgegen dem Einwand, dass Spengler den marxistischen, ökonomisch-soziologischen Antagonismus mit seinem Buch ins völkerpsychologisch-metaphysische verschoben habe, ist vielmehr zu erkennen, dass ein Fundament dieser Art von preußischem Sozialismus, dieser Solidargemeinschaft, dieser Gesellschaft, in der das Aufgehen der Einzelwillen in einem Gesamtwillen zentral war, Erfolge durch Fleiß und Disziplin bei gleichzeitig spürbarer Freiheit für den Einzelnen tatsächlich gewährleistete. Der preußische Staatssozialismus steht bei Spengler unter der Führung einer aristokratischen Führungselite, die an der Spitze des Gesamtwillens steht. Spenglers Theorie ist Ausdruck eines Patriotismus des Preußentums. Wesentlich aber sind andere Konsequenzen, die Spengler aus dem ethischen Sozialismus des Preußentums zieht. Arbeit ist keine Ware sondern die Pflicht der Allgemeinheit und es gibt keinen Unterschied zwischen der sittlichen Würde der Arbeit, den bereits Marx abzuschaffen versucht hat. Jede Arbeit ist gleichrangig im Dienste für das Ganze. Es ist auch heute das konstitutive Element politischer Verantwortung im parlamentarischen Staate, dass der geschlossene politische Verband auf Sozialität, Gegenseitigkeit und Sozialpflichtigkeit gründet. Das gilt für alle Bürger. Die Gewährleistung politischer Freiheit ist zwingend mit der rechtlichen Verpflichtung der Bürger gegenüber und innerhalb des Gemeinwesens verbunden. In diesem Sinne nehmen Grundrechte und Grundpflichten überhaupt erst Gestalt an. Der Staat hebt in einer solchen Solidargemeinschaft für Spengler den Klassenkampf auf. Er setzt den Lohn für jede Arbeit fest und zwar nach Maßgabe der wirtschaftlichen Gesamtlage. An der Spitze steht der Verwaltungsstaat, in Preußen ohnehin effektiv aufgebaut. Das eigentliche Ziel sieht Spengler damit erreicht: Die Aufhebung von Kapitalismus und Marxismus. Das ist der Zukunftsstaat, den er sich wünscht. Der Staat dürfe nicht unter Wirtschaftsmächte gestellt werden. Diese Ansichten weisen noch heute auf grundlegende Probleme hin, denen man sich machtlos gegenüberstehen sieht:; Korruption, Postenwirtschaft, Kungelei. Spengler zeigt mit diesem Buch, dass er ein Mensch der Realität war, jemand, der darauf aufmerksam machte, dass der Staat kein Selbstbedienungsladen ist und dass das demokratische System mit jedem Vergehen darunter leiden wird.

Bilanz: Notwendigkeit neuer mentaler Grundeinstellungen

So lässt sich bilanzieren, dass der Sozialismus, je nach Verständnis, nicht mit dem Marxismus identisch sein muss. Bei dem Versuch, den Sozialismus mit dem Konservatismus zu versöhnen, kommt es auf eine enge Frömmigkeit an, die durch die fortschreitende Lethargie, den Hedonismus und den progressive Verlust des Willens, überhaupt Dienst am Ganzen und damit für sich zu leisten, bedroht erscheint. Das einheitliche Voranschreiten im Sinne Spenglers hatte das Ziel einer größtmöglichen gesellschaftlichen Geschlossenheit, einer geschlossene inneren Verfassung des Staates für eine optimale Handlungsfähigkeit. Es ist ein Fehler gewesen, die marxistische Ökonomiekritik des Manchesterkapitalismus so auf Deutschland zu übertragen, wie es versucht worden ist. Marx hat durch eine mehr verblüffende als richtige Konstruktion versucht, diese Tatsache dort zum Rang einer Idee zu erheben, wo es völlig unangebracht war. Die bei Marx als Ökonomismus beschriebene, in der Regel als Materialismus bezeichnete Annahme, dass das gesellschaftliche Sein der Menschen ihr Bewußtsein bestimmt - und nicht umgekehrt - ist zum Anlass einer Tradition der Ideologiekritik geworden. Es ist die Theorie der Klassenbildung und des Klassenkonfliktes, wie Spengler bereits richtig erkannt hat. Die marxistische Ökonomie ist von marginaler Bedeutung. Sie hat den Begriff der politischen Ökonomie und die Auffassung einer Gleichrangigkeit aller Arbeit bei gleichzeitiger Notwendigkeit einer jeden Arbeit diskreditiert zugunsten des kultivierten Frustes der Schlecht-Weggekommenen. Es wird heute wohl niemand bezweifeln, daß vielmehr ein gemeinsames Mehr an Ordnung, Pflichtbewußtsein, Selbstdisziplinierung und gesellschaftlichem Zusammenhalt als mentaler Grundeinstellung überfälliger ist als je zuvor.

geschrieben am 11.11.2008 | 1632 Wörter | 10391 Zeichen

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