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Rechtsgeschichte der Reichswehr


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Rezension von

Dr. Sebastian Felz

Rechtsgeschichte der Reichswehr Das anzuzeigende Buch ist mit dem Helmuth-James-von-Moltke-Preis der „Deutschen Gesellschaft für Wehrrecht und Humanitäres Völkerrecht“ 2018 ausgezeichnet worden. Auf der Homepage heißt es zum Patron dieses Preises: „Helmuth James von Moltke wurde am 11. März 1907 in Kreisau geboren. Er war Mitglied in einer internationalen Anwaltspraxis in Berlin und wurde nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als Völkerrechtsreferent in das Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht eingezogen. Hier setzte sich Moltke intensiv für die Einhaltung des Kriegsvölkerrechts ein und beteiligte sich an Arbeiten zur Weiterentwicklung des Seekriegsrechts. Gleichzeitig hat er im ‘Kreisauer Kreis’ an Plänen für eine Nachkriegsordnung mitgewirkt, was im Januar 1944 zu seiner Verhaftung und im September zu einem Verfahren vor dem Volksgerichtshof geführt hat, das mit dem Todesurteil endete. Er starb am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee. […] Als George F. Kennan, damals junger amerikanischer Botschaftsrat in Berlin, im Herbst 1940 Moltke zum ersten Mal in seiner Wohnung besuchte, fand er ihn in das Studium der „Federalist Papers“ vertieft, in denen er Anregungen für eine künftige deutsche Verfassung suchte. Kennan, der sich noch viele Jahrzehnte später an Moltke als „moralische Stütze und Quelle politischer und geistiger Inspiration“ erinnert hatte, konnte das Bild nicht vergessen, wie dieser deutsche Jurist, selber inmitten des Krieges für den deutschen Generalstab tätig, sich den Schriften der Gründer der amerikanischen Demokratie zuwandte, um dort in Bescheidenheit nach Ideen zu suchen, wie Deutschland aus seiner Verirrung und Verderbnis hinauszuführen sei.“ Vor diesem Hintergrund war die Wahl des Preisträgers Patrick Oliver Heinemann zwingend. Denn auch Heinemann setzt sich in seiner Bayreuther Dissertation mit dem Verhältnis von Militärmacht und Verfassungsstaat auseinander. Er nutzt als Analysefolie die erste Republik im Deutschen Reich. Die Rahmung erhält die Arbeit durch das erste und das achte Kapitel, in denen Heinemann prägnant den Beginn wie den Untergang der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung der wehrrechtlichen Perspektive beschreibt. Das Ebert-Groener-Bündnis, Spartakus-Aufstand und Kapp-Putsch, Versailler Vertrag und Verfassungsdiskussionen, die Wehrverfassung und die Organisation des Reichswehrministerium werden von Heinemann dargestellt, wobei er den Einsatz von Freikorps durch vormaligen „Volksbeauftragten für Heer und Marine“ und nachmaligen Reichswehrminister Gustav Noske (MSPD) sowie die Rechtfertigung ihrer Gewaltexzesse oder die Notstandsprogrammatik des Art. 48 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) geschickt mit den affirmativen Argumenten Carl Schmitts illustriert. Am Ende seiner Arbeit beschreibt Heinemann das Wirken der „Rüstungsrepublikaner“ und Reichswehrminister Wilhelm Groener und Kurt von Schleicher als Quasi-Staatssekretär (Chef des Ministeramtes), den Hochverrat der Ulmer Reichswehroffiziere 1930, die mit der NSDAP gegen die Republik hatten konspirieren wollten sowie den Untergang der Republik zwischen dem Preußenschlag am 20. Juni 1932 und der Machtübernahme der Nazis am 30. Januar 1933. Auch diese Ereignisse werden geschickt in den Schriften Carl Schmitts gespiegelt („Das Oeuvre wie auch die Biographie Carl Schmitts sind […] die ideale staatswissenschaftliche Begleitlektüre“, so Heinemann im Fazit). Heinemann betont das Traditionsfundament des Kaiserreiches, welches zum Aufbau der Reichswehr der Republik genutzt wurde. Sie wurde daher keine republikanische Armee. Wenn man nicht sowieso auf monarchischen Traditionsbeständen in Bezug auf Gesetze und Vorschriften aufbaute, so ließen die demokratischen Politiker den Militärs Freiräume im Verordnungswege, das Vorgesetztenverhältnis, das Beschwerde- oder das Disziplinarrecht eigenmächtig zu regeln. Auch nach dem blutigen Beginn der Republik lag in den „goldenen Jahren“ der ersten Republik die Richtlinienkompetenz eher beim Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt, als beim verantwortlichen Minister Otto Geßler. Partizipative Bewegungen wie die Vertrauensleute oder die Heeres- und Marinekammern wurden fast vollständig lahmgelegt. Dafür wurden überkommende und restaurative Institutionen sowie Regelungen über Kleidung, Eheerlaubnisse, Grußpflicht, Umgangsformen, Ehrengerichtsbarkeit, Züchtigungen und Duelle gepflegt. Auch die von vielen Politikern aller Couleur geteilte Auffassung von der „Wehrhaftmachung“ des Deutschen Reichs steigerte noch die Extralegalität der Reichswehr durch geheime und gegen das Völkerrecht verstoßende Aufrüstung. Die Reichswehr, so Heinemann, sei ein „paralegaler Staat im Staate“ gewesen. Was bleibt nach 80 Jahren von der Rechtsgeschichte der Reichswehr zu lernen?: „Die Weimarer Wehrverfassung hat sich jedenfalls in keiner Richtung hin bewährt: Weder integrierte sie den einzelnen Soldaten in die pluralistische Gesellschaft und die Reichswehr als Ganzes in die parlamentarisch-demokratische Republik noch konnte sie sich im Ringen um die Macht im Staate mit der von ihr beanspruchten Sonderstellung gegen den Nationalsozialismus durchsetzen“. Die Rechtsgeschichte der Reichswehr bilde daher die Kontrastfolie für die Wehrgesetzgebung der Bundesrepublik. Dieses Scheitern und diesen Kontrast durch eine geschickte Komposition und präzise Darstellung sichtbar gemacht zu haben, ist das Verdienst dieser beeindruckenden Studie.

Das anzuzeigende Buch ist mit dem Helmuth-James-von-Moltke-Preis der „Deutschen Gesellschaft für Wehrrecht und Humanitäres Völkerrecht“ 2018 ausgezeichnet worden. Auf der Homepage heißt es zum Patron dieses Preises:

„Helmuth James von Moltke wurde am 11. März 1907 in Kreisau geboren. Er war Mitglied in einer internationalen Anwaltspraxis in Berlin und wurde nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als Völkerrechtsreferent in das Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht eingezogen. Hier setzte sich Moltke intensiv für die Einhaltung des Kriegsvölkerrechts ein und beteiligte sich an Arbeiten zur Weiterentwicklung des Seekriegsrechts. Gleichzeitig hat er im ‘Kreisauer Kreis’ an Plänen für eine Nachkriegsordnung mitgewirkt, was im Januar 1944 zu seiner Verhaftung und im September zu einem Verfahren vor dem Volksgerichtshof geführt hat, das mit dem Todesurteil endete. Er starb am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee. […]

Als George F. Kennan, damals junger amerikanischer Botschaftsrat in Berlin, im Herbst 1940 Moltke zum ersten Mal in seiner Wohnung besuchte, fand er ihn in das Studium der „Federalist Papers“ vertieft, in denen er Anregungen für eine künftige deutsche Verfassung suchte. Kennan, der sich noch viele Jahrzehnte später an Moltke als „moralische Stütze und Quelle politischer und geistiger Inspiration“ erinnert hatte, konnte das Bild nicht vergessen, wie dieser deutsche Jurist, selber inmitten des Krieges für den deutschen Generalstab tätig, sich den Schriften der Gründer der amerikanischen Demokratie zuwandte, um dort in Bescheidenheit nach Ideen zu suchen, wie Deutschland aus seiner Verirrung und Verderbnis hinauszuführen sei.“

Vor diesem Hintergrund war die Wahl des Preisträgers Patrick Oliver Heinemann zwingend. Denn auch Heinemann setzt sich in seiner Bayreuther Dissertation mit dem Verhältnis von Militärmacht und Verfassungsstaat auseinander. Er nutzt als Analysefolie die erste Republik im Deutschen Reich. Die Rahmung erhält die Arbeit durch das erste und das achte Kapitel, in denen Heinemann prägnant den Beginn wie den Untergang der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung der wehrrechtlichen Perspektive beschreibt. Das Ebert-Groener-Bündnis, Spartakus-Aufstand und Kapp-Putsch, Versailler Vertrag und Verfassungsdiskussionen, die Wehrverfassung und die Organisation des Reichswehrministerium werden von Heinemann dargestellt, wobei er den Einsatz von Freikorps durch vormaligen „Volksbeauftragten für Heer und Marine“ und nachmaligen Reichswehrminister Gustav Noske (MSPD) sowie die Rechtfertigung ihrer Gewaltexzesse oder die Notstandsprogrammatik des Art. 48 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) geschickt mit den affirmativen Argumenten Carl Schmitts illustriert.

Am Ende seiner Arbeit beschreibt Heinemann das Wirken der „Rüstungsrepublikaner“ und Reichswehrminister Wilhelm Groener und Kurt von Schleicher als Quasi-Staatssekretär (Chef des Ministeramtes), den Hochverrat der Ulmer Reichswehroffiziere 1930, die mit der NSDAP gegen die Republik hatten konspirieren wollten sowie den Untergang der Republik zwischen dem Preußenschlag am 20. Juni 1932 und der Machtübernahme der Nazis am 30. Januar 1933. Auch diese Ereignisse werden geschickt in den Schriften Carl Schmitts gespiegelt („Das Oeuvre wie auch die Biographie Carl Schmitts sind […] die ideale staatswissenschaftliche Begleitlektüre“, so Heinemann im Fazit).

Heinemann betont das Traditionsfundament des Kaiserreiches, welches zum Aufbau der Reichswehr der Republik genutzt wurde. Sie wurde daher keine republikanische Armee. Wenn man nicht sowieso auf monarchischen Traditionsbeständen in Bezug auf Gesetze und Vorschriften aufbaute, so ließen die demokratischen Politiker den Militärs Freiräume im Verordnungswege, das Vorgesetztenverhältnis, das Beschwerde- oder das Disziplinarrecht eigenmächtig zu regeln. Auch nach dem blutigen Beginn der Republik lag in den „goldenen Jahren“ der ersten Republik die Richtlinienkompetenz eher beim Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt, als beim verantwortlichen Minister Otto Geßler. Partizipative Bewegungen wie die Vertrauensleute oder die Heeres- und Marinekammern wurden fast vollständig lahmgelegt. Dafür wurden überkommende und restaurative Institutionen sowie Regelungen über Kleidung, Eheerlaubnisse, Grußpflicht, Umgangsformen, Ehrengerichtsbarkeit, Züchtigungen und Duelle gepflegt. Auch die von vielen Politikern aller Couleur geteilte Auffassung von der „Wehrhaftmachung“ des Deutschen Reichs steigerte noch die Extralegalität der Reichswehr durch geheime und gegen das Völkerrecht verstoßende Aufrüstung. Die Reichswehr, so Heinemann, sei ein „paralegaler Staat im Staate“ gewesen.

Was bleibt nach 80 Jahren von der Rechtsgeschichte der Reichswehr zu lernen?: „Die Weimarer Wehrverfassung hat sich jedenfalls in keiner Richtung hin bewährt: Weder integrierte sie den einzelnen Soldaten in die pluralistische Gesellschaft und die Reichswehr als Ganzes in die parlamentarisch-demokratische Republik noch konnte sie sich im Ringen um die Macht im Staate mit der von ihr beanspruchten Sonderstellung gegen den Nationalsozialismus durchsetzen“. Die Rechtsgeschichte der Reichswehr bilde daher die Kontrastfolie für die Wehrgesetzgebung der Bundesrepublik.

Dieses Scheitern und diesen Kontrast durch eine geschickte Komposition und präzise Darstellung sichtbar gemacht zu haben, ist das Verdienst dieser beeindruckenden Studie.

geschrieben am 04.12.2019 | 712 Wörter | 4700 Zeichen

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