ISBN | 3534610148 | |
Autor | Raimund Schulz | |
Verlag | Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) | |
Sprache | deutsch | |
Seiten | 224 | |
Erscheinungsjahr | 2024 | |
Extras | - |
Mit einer Gesamtfläche von etwas mehr als 2,5 Millionen Quadratkilometern gehört das Mittelmeer zwar nicht zu den größten Meeren auf der Erde, stellt jedoch in seiner Gesamtheit einer der ältesten Kulturräume der Menschheit dar. Schließlich trafen hier im Laufe von mehreren tausend Jahren nicht nur die verschiedensten Völker aus Europa, Afrika und Asien aufeinander. Auch drei der heute großen Weltreligionen – das Judentum, das Christentum und der Islam – nahmen hier ihren Anfang.
Das Mittelmeer und die angrenzenden Küstenregionen gelten in der modernen Altertumsforschung übereinstimmend als geografischer Mittelpunkt der antiken Welt, dessen Einflusssphäre im Laufe der Epochen eine unermessliche kulturelle, politische und wirtschaftliche Entwicklung entfacht hat. Als Wiege und Drehscheibe der antiken Zivilisationen reicht die Bedeutung des Mittelmeers jedoch weit über den Aufstieg und den interkulturellen Austausch von bedeutenden Kulturen wie die der Ägypter, Griechen, Phönizier oder Römer hinaus und war dabei in seinen Grundfesten im Wesentlichen vom Überseehandel geprägt. Mit seinen zahlreichen Buchten, Inseln und Halbinseln bietet das Mittelmeer – heute wie schon in der Antike – mit seinen natürlichen Häfen und sicheren Ankerplätzen eine Reihe geografischer Vorteile. Diese förderten den Handel und die Seefahrt und machten das Mittelmeer zu einem idealen Umschlagsplatz für den Austausch von Ideen und Waren.
Das Verhältnis der Antike zum Meer ist somit ein Thema von großer historischer Bedeutung. Doch obwohl die Forschung in den letzten Jahrzehnten in vielen Bereichen große Fortschritte gemacht hat und mache Wissenslücken geschlossen werden konnten, existierte bislang keine allumfassende und kompakt geschriebene Gesamtdarstellung, welche die Einzelstudien und Untersuchungen zu diesem Thema zusammenführt und die besondere Bedeutung des Meeres für die kulturelle, politische sowie wirtschaftliche Entwicklung der antiken Zivilisationen zu erfassen sucht. Mit der im wbg Theiss Verlag erschienenen Publikation „Die Antike und das Meer“ unternimmt der renommierte Althistoriker Raimund Schulz den Erstversuch, indem er – die Gesamtgeschichte der griechisch-römischen Antike chronologisch wiedergebend – grundsätzliche Fragen zum Verhältnis zwischen den Menschen der Antike und dem Mittelmeer zu beantworten versucht. Dabei wird auf 224 Seiten, die in 15 Kapitel gegliedert sind, den Lesern stichhaltig aufgezeigt, wie die Seefahrt die politische und wirtschaftliche Ordnung der antiken Gesellschaften im Mittelmeerraum maßgeblich geprägt hat. Hierzu werden die wichtigsten politischen Ereignisse und wirtschaftlichen Entwicklungen der Antike wie die homerische Welt, die griechischen Poleis-Gesellschaften, die athenische Thalassokratie, die Geschichte der Römer und viele mehr in enger Verbindung zum Meer umfassend dargestellt und interpretiert. Doch obwohl sich Raimund Schulz bei seinen Ausführungen einer umfangreichen Nutzung antiker literarischer und bildlicher Quellen bedient, zeigt er keinen Drang, die Geschichte neu zu schreiben. Vielmehr unterlegt er sie mit anderen Kausalitäten, Strukturen und Verflechtungen, die überaus erfrischend wirken. Für ihn ergibt sich dabei ein Grundmuster für die antike Seegeschichte: Die wirtschaftliche Notwendigkeit und Attraktivität des maritimen Fernhandels, die für die Mehrheit der griechischen Poleis und für die Römer bestanden, sorgte für die Schaffung schlagkräftiger Marineverbände, die den Handel schützen sollten. Schnell entwickelte sich hieraus eine Eigendynamik, die den anfänglichen Wunsch nach einer maritimem Sicherheit zu einer Expansionspolitik übergehen ließ. Das Konzept der Seemacht, das sich daraus ergab und durchaus mit anderen Seemächten späterer Epochen vergleichbar ist, wurde für die führenden Staaten der Antike zum politischen Credo. Innenpolitisch sorgte die Konzentration auf die Seefahrt wiederum für eine Ausdifferenzierung der Gesellschaft und nahm maßgeblichen Einfluss auf die gesellschaftlichen Strukturen und die Ausübung von Herrschaft wie etwa die Tyrannis, Demokratie und die Entstehung des Prinzipats, die für Raimund Schulz unmittelbare Folgen der Seefahrt und ihrer Anforderungen an das Gemeinwesen sind. Zudem hatte das Meer als Ort der ungebändigten Natur und der Gefahren einen entscheidenden Einfluss auf die Mentalitäten, wobei sie als Stimulus für die Entwicklung der kulturellen Entwicklung und der Wissenschaft wirkte. Das Vordringen der Seefahrer in immer weitere Gefilde und das zunehmende Selbstvertrauen in die Navigationskünste sorgten für eine Erweiterung des Horizonts im Denken der Menschen, welches sich im weiteren Verlauf auch auf andere Lebensbereiche auswirkte. Die Sicht, die die Menschen der Antike so auf das Meer gewannen, sollte rund ein Jahrtausend Bestand haben, bis die große Welle an Entdeckungen der Frühen Neuzeit erneut fundamentale Veränderungen bewirkte. Hier ergibt sich ein sehr viel versprechender Ansatz zu epochenübergreifenden Betrachtungen, wie Raimund Schulz in seiner Publikation über „Die Antike und das Meer“ sie immer wieder vornimmt.
Das Mittelmeer war in der Antike weit mehr als ein geografischer Faktor. Es war ein Lebensraum und gleichzeitig ein kultureller Katalysator, der die Menschen der unterschiedlichsten Völker miteinander verband und den Austausch unter ihnen ermöglichte. Der Althistoriker Raimund Schulz bringt mit der im wbg Theiss Verlag erschienenen Publikation „Die Antike und das Meer“ die Bedeutung des Meeres für die antiken Kulturen im Mittelmeerraum einem breiteren Publikum näher und untermauert seine Argumentation zudem mit historischen Quellen. Die von ihm gewählte Herangehensweise hinsichtlich der durchaus schwierigen Quellenlage erweist sich dabei als stichhaltig und wirkt für Leser, die sich intensiv mit der Antike und den alten Hochkulturen beschäftigen, überaus erfrischend. Ein weiteres Plus sind zudem die zahlreichen Abbildungen, die in visueller Hinsicht eine gelungene Abwechslung bei der Lektüre darstellen.
geschrieben am 14.12.2024 | 817 Wörter | 5204 Zeichen
Kommentare zur Rezension (0)
Platz für Anregungen und Ergänzungen