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Logik des Sozialen. Woraus Gesellschaft entsteht


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Rezension von

Daniel Bigalke

Logik des Sozialen. Woraus Gesellschaft entsteht Die Reflexions-Systemtheorie ist das erste und seiner ganzen weiteren geistigen Entwicklung zugrundeliegende Projekt von Johannes Heinrichs. Sie ist nunmehr in einer erweiterten Wiederauflage der erstmaligen Schrift von 1976 („Reflexion als soziales System. Zu einer Reflexions-Systemtheorie der Gesellschaft“) neu erhältlich. Wichtig ist diese Schrift besonders für das tiefere Verständnis des Demokratie-Buches von 2003. Sie wurde einst 1976 von der Diskurshegemonie des Suhrkamp-Imperiums „herrschaftsfrei“ ignoriert und bietet die Vermittlung zwischen dem handlungstheoretischen Ansatz von Habermas und dem systemtheoretischen von Luhmann in Gänze dar. Es ist die interpersonale Reflexion, die Handlungen zu einem Handlungssystem werden läßt und zugleich das soziale System in ein System von reflexiv gestuften Subsystemen strukturiert. Das blieb bisher von der Fachwissenschaft wenig berücksichtigt. Deshalb ist diese Neuausgabe mit einem Nachwort von Franz-Theo Gottwald versehen (291ff.), welcher wesentliche Klarstellungen über unfairen Missbrauch und Fehldeutungen von Heinrichs’ Theorie vornimmt. Das Buch schließt mit einer umfassenden Erklärung wichtiger Fachbegriffe, die nun - längst überfällig - den gesamten theoretischen Ansatz für den gewillten Neueinsteiger terminologisch nachvollziehbar werden lassen. Der Zusammenhang zwischen Sinn-Welt und Handlung war bei Luhmann von Beginn an nicht vorhanden, geschweige denn erkenntnistheoretisch hergeleitet, was auch für das bekannte Werk Bergers und Luckmanns von 1969 zutrifft („Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“). Dem ist so, obwohl dort ansatzweise Folgendes erkannt wurde: „Und Gesellschaft wird tatsächlich konstruiert durch Tätigkeiten, die subjektiv gemeinten Sinn zum Ausdruck bringen.“ Für Heinrichs stellt dieses Defizit - so gleich in seinem Vorwort - die Eigenschaft einer sich unaufmerksam verhaltenden „profanen wissenschaftlichen Zunft“ (7) dar, die wesentliche praktische Konsequenzen aus ihrer Forschung nicht zu ziehen bereit sei. Vielmehr plädiert er hingegen für eine mit umfassenden Konsequenzen bedachte logische Mehrwertigkeit der Reflexionsstufen und den mit ihnen korrespondierenden Sinn-Elementen (subjektives Subjekt, Objekt, objektives Subjekt, Sinn-Medium). Was die logische und damit zugleich integrative Mehrwertigkeit angeht, so beruft sich Heinrichs zudem seit seinem Hegel Buch von 1974 („Die Logik der Phänomenologie des Geistes“) ähnlich wie im „Scheideweg“ auf die Arbeiten des Logikers Gotthard Günther (1900-1984). Der eingeweihte Leser hat seitdem nicht vergessen, daß es Heinrichs bei seiner Reflexionstheorie um eine fortentwickelte Form der mehrwertigen Dialektik im Sinne Hegels geht und daß er nicht bei einseitiger System- oder Handlungstheorie stehen bleiben möchte. Entsprechend stellt der Verfasser am Ende der Entfaltung seiner „Systemtheorie der Gesellschaft“ fest: „...daß es ohne Reflexion weder selbstbewußte Subjektivität noch spezifisch menschliche Sozialität überhaupt gäbe. Reflexion ist mehr als ein bloßer Steuerungsmechanismus.“ (285/286). Es ist das Verdienst dieses immer noch und heute mehr denn je anspruchsvollen und anregenden Buches, nicht nur Philosophie gegen den Zeitgeist betrieben, sondern den reflexionstheoretisch gedeuteten Theorie-Praxis-Gegensatz zwischen Hegel und Marx überwunden und die eigentliche Logik des Sozialen über die „Reflexion“ freigelegt zu haben. Das Buch wird letztendlich, wenn auch verspätet, seinen verdienten Platz in der Literatur zur politischen und sozialen Theorie erhalten.

Die Reflexions-Systemtheorie ist das erste und seiner ganzen weiteren geistigen Entwicklung zugrundeliegende Projekt von Johannes Heinrichs. Sie ist nunmehr in einer erweiterten Wiederauflage der erstmaligen Schrift von 1976 („Reflexion als soziales System. Zu einer Reflexions-Systemtheorie der Gesellschaft“) neu erhältlich. Wichtig ist diese Schrift besonders für das tiefere Verständnis des Demokratie-Buches von 2003. Sie wurde einst 1976 von der Diskurshegemonie des Suhrkamp-Imperiums „herrschaftsfrei“ ignoriert und bietet die Vermittlung zwischen dem handlungstheoretischen Ansatz von Habermas und dem systemtheoretischen von Luhmann in Gänze dar.

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Es ist die interpersonale Reflexion, die Handlungen zu einem Handlungssystem werden läßt und zugleich das soziale System in ein System von reflexiv gestuften Subsystemen strukturiert. Das blieb bisher von der Fachwissenschaft wenig berücksichtigt. Deshalb ist diese Neuausgabe mit einem Nachwort von Franz-Theo Gottwald versehen (291ff.), welcher wesentliche Klarstellungen über unfairen Missbrauch und Fehldeutungen von Heinrichs’ Theorie vornimmt. Das Buch schließt mit einer umfassenden Erklärung wichtiger Fachbegriffe, die nun - längst überfällig - den gesamten theoretischen Ansatz für den gewillten Neueinsteiger terminologisch nachvollziehbar werden lassen. Der Zusammenhang zwischen Sinn-Welt und Handlung war bei Luhmann von Beginn an nicht vorhanden, geschweige denn erkenntnistheoretisch hergeleitet, was auch für das bekannte Werk Bergers und Luckmanns von 1969 zutrifft („Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“). Dem ist so, obwohl dort ansatzweise Folgendes erkannt wurde: „Und Gesellschaft wird tatsächlich konstruiert durch Tätigkeiten, die subjektiv gemeinten Sinn zum Ausdruck bringen.“ Für Heinrichs stellt dieses Defizit - so gleich in seinem Vorwort - die Eigenschaft einer sich unaufmerksam verhaltenden „profanen wissenschaftlichen Zunft“ (7) dar, die wesentliche praktische Konsequenzen aus ihrer Forschung nicht zu ziehen bereit sei. Vielmehr plädiert er hingegen für eine mit umfassenden Konsequenzen bedachte logische Mehrwertigkeit der Reflexionsstufen und den mit ihnen korrespondierenden Sinn-Elementen (subjektives Subjekt, Objekt, objektives Subjekt, Sinn-Medium). Was die logische und damit zugleich integrative Mehrwertigkeit angeht, so beruft sich Heinrichs zudem seit seinem Hegel Buch von 1974 („Die Logik der Phänomenologie des Geistes“) ähnlich wie im „Scheideweg“ auf die Arbeiten des Logikers Gotthard Günther (1900-1984). Der eingeweihte Leser hat seitdem nicht vergessen, daß es Heinrichs bei seiner Reflexionstheorie um eine fortentwickelte Form der mehrwertigen Dialektik im Sinne Hegels geht und daß er nicht bei einseitiger System- oder Handlungstheorie stehen bleiben möchte. Entsprechend stellt der Verfasser am Ende der Entfaltung seiner „Systemtheorie der Gesellschaft“ fest: „...daß es ohne Reflexion weder selbstbewußte Subjektivität noch spezifisch menschliche Sozialität überhaupt gäbe. Reflexion ist mehr als ein bloßer Steuerungsmechanismus.“ (285/286).

Es ist das Verdienst dieses immer noch und heute mehr denn je anspruchsvollen und anregenden Buches, nicht nur Philosophie gegen den Zeitgeist betrieben, sondern den reflexionstheoretisch gedeuteten Theorie-Praxis-Gegensatz zwischen Hegel und Marx überwunden und die eigentliche Logik des Sozialen über die „Reflexion“ freigelegt zu haben. Das Buch wird letztendlich, wenn auch verspätet, seinen verdienten Platz in der Literatur zur politischen und sozialen Theorie erhalten.

geschrieben am 10.11.2006 | 452 Wörter | 3104 Zeichen

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