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Risiko


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Risiko In der Reihe der bisherigen Veröffentlichungen von Gigerenzer ist das nun vorliegende Werk zum Risiko durchaus denklogisch. Nach seinem Werk zur Ungewissheit im Jahr 2008 kommt nun das Buch zur Risikokompetenz hinterher. Im ersten Teil behandelt er die Psychologie des Risikos und im zweiten Teil gibt er einen kleinen Wegweiser, wie man risikokompetent werden kann. Der dritte Teil ist ein Ausblick bzw. eine mögliche Weichenstellung, um unsere Kinder und deren Kinder zu risikokompetenteren Personen zu machen als wir es heutzutage sind. Die Vermittlung des Wissens gelingt Gigerenzer ganz vorzüglich, meist mittels einer gesunden Mischung aus allgemeinen Thesen, konkreten Beispielen und Schlussfolgerungen. Dabei kommt man als Laie in puncto Statistik durchaus an seine eigenen Denkgrenzen und kann der von Gigerenzer proklamierten Änderung von Prognosen in relative Häufigkeiten nur mit Mühe folgen, erkennt aber durchaus den dahinter stehenden Handlungsbedarf, um Patienten/ Kunden, aber auch die Fachleute, d.h. Ärzte, Versicherer, Broker und Banker zu einer neuen Form der Risikokommunikation und des Risikoverständnisses zu führen. Als ich zum ersten Mal eine Annonce für dieses Buch gelesen habe, hat ein Halbsatz meine Aufmerksamkeit erregt, der die Lektüre dieses Buches auch für die Entscheidungsfindung von Juristen empfahl. Nach erfolgter Lektüre kann ich diese Empfehlung, die sich im Übrigen weder im Klappentext des Buches, noch im Vorwort noch anderswo im Buch wiederholt hat, also nur ein Marketinginstrument gewesen zu sein scheint, nur abgeschwächt, aber für den betroffenen Teilbereich durchaus mit Nachdruck weitergeben. Im Buch selbst ist abgesehen von einem kleinen Bereich, der über die Entscheidungsfindung oberster Bundesrichter in Amerika berichtet, kein Wort von juristischen Denk- und Findungsprozessen enthalten, obwohl der Konnex nur allzu nahe läge, dazu unten. Dennoch birgt der Inhalt mehr als einen Ansatzpunkt für Juristen, um ihr Verhalten und ihre Entscheidungen zu hinterfragen. Denn der Autor beschreibt umfassend die Problematik der Risikoabschätzung in Krankheitsfällen. Damit ist der Arbeitsbereich des zivilrechtlichen Haftungsrechts, insbesondere der Arzthaftung eröffnet: wurde richtig aufgeklärt über die Risiken eines Eingriffs oder einer Therapie? Kannte der Behandelnde (!) das Risiko überhaupt zur Gänze bzw. konnte es richtig bewerten und kommunizieren? Ist für den Eintritt des Schadensfalles dann auch eine Haftung zu bejahen? Dafür benötigt der urteilende Richter - wie im Übrigen auch der zuvor behandelnde Arzt - die Kenntnis darüber, ob es sich bei der Einschätzung von Krankheit, Therapie und Genesungsprognose z.B. um ein bekanntes Risiko, wenn ja welches, oder um eine nicht quantifizierbare Ungewissheit handelt, der man sich nicht über Berechnungsmodelle, sondern allenfalls durch intelligente Faustregeln nähern kann. Wer sich über diese Grundlage nicht im Klaren ist, kann auch die Verantwortlichkeit des Arztes nicht beurteilen. Schon insofern ergibt sich also eine gute Nutzbarkeit des Werks für einschlägig tätige Juristen. Daneben ist aber auch die eigene Herangehensweise von Juristen an ihre Materie möglicherweise mit neuen Maßstäben zu messen. Dabei geht es zum einen wiederum um die Frage, ob ich es bei der Beurteilung eines Falles mit einem bekannten Risiko zu tun habe, auf das vorbereitete Maßstäbe und Entscheidungsroutinen passen, oder ob ich es mit einer Ungewissheit zu tun habe, auf die ich nur pseudologisch meine Entscheidungsmuster projiziere, damit vielleicht zufällig zu „richtigen“ Ergebnissen komme, aber eigentlich mit verbundenen Augen Dartpfeile auf eine irgendwo hängende Scheibe werfe. Denn wenn man sich kritisch die Situation des Richter betrachtet, muss dieser aus einer Summe von Informationen eine subjektive Wahrheit herausfiltern und daraus eine objektive Wahrheit in Form einer idealerweise gerechten Entscheidung nach außen weitergeben. Manchmal stimmen diese beiden Wahrheiten überein, nämlich dann wenn der Richter sich auf definierbare Wissensquellen stützen kann (Augenschein, Urkunden etc.). Wenn er aber darauf angewiesen ist, die Wahrheitsfindung auf der Aussage von Zeugen durchzuführen, findet letztendlich eine Wertung durch den Richter statt, so sehr sich der Bundesgerichtshof auch bemüht hat, Realkennzeichen zur Aussageanalyse zu etablieren. Dieser handelt also eigentlich aufgrund von bewertenden, nicht messbaren Routinen und hinterlegt diese später mit juristischen Argumenten. Dabei kann er sich über die Richtigkeit der Zeugenaussagen gar nicht im Klaren sein, er bewertet diese ja nur als richtig oder falsch. Damit bewegt er sich eigentlich auf der Basis einer Ungewissheit und würde bei der Anwendung von Faustregeln stimmigere Ergebnisse produzieren. Aber kann man das ernsthaft als Juristerei verkaufen? Wohl kaum. Der Einwand, dass es sich eben nicht um eine berechenbare Naturwissenschaft handelt, mag schon gehört werden, aber letzten Endes darf sich auch die Justiz nicht hinter ihrem eigenen System verstecken, wenn es um die Bewertung von Entscheidungsprozessen geht. Und noch etwas kommt dazu, worauf Gigerenzer, allerdings in anderem Kontext hinweist: die Macht und Verlässlichkeit der Intuition als Entscheidungsgrundlage. Viele erfahrene Richter „wissen“, welcher Zeuge lügt und welcher nicht. Warum ist das so? Wohl weil sie sich Bewertungsroutinen angeeignet und eine Menschenkenntnis entwickelt haben, die sie intuitiv zu einer richtigen Einschätzung bringt. Diese Form des Erkenntnisgewinns ist aber - bisher - ebenso wenig valide für ein Urteil. Stattdessen benötigt man echte „juristische“ Argumente und muss diese eben an Äußerlichkeiten und Indizien begründen. Auch hier ist der Einwand, des Bedarfs des nachvollziehbaren Urteils und des Willkürverbots richtig und wichtig. Aber bei ehrlicher Spiegelschau ist das intuitive Handeln eine der wichtigsten Erkenntnisquellen für den Richter. Nicht umsonst attestiert man manchem ein „gutes Judiz“ und das muss nicht immer zwingend vollständig mit der wortlautgetreuen Gesetzesauslegung übereinstimmen. Insofern gibt das Buch von Gigerenzer sehr viele wichtige Denkanstöße für Juristen, sowohl für die konkrete Fallbearbeitung im Medizin- und Arzthaftungsrecht, aber umso mehr für die Selbstreflexion der eigenen Handlungen und Entscheidungen. Die Lektüre ist hervorragende Allgemeinbildung und darüber hinaus ein Selbsttest für Juristen. Absolut empfehlenswert.

In der Reihe der bisherigen Veröffentlichungen von Gigerenzer ist das nun vorliegende Werk zum Risiko durchaus denklogisch. Nach seinem Werk zur Ungewissheit im Jahr 2008 kommt nun das Buch zur Risikokompetenz hinterher. Im ersten Teil behandelt er die Psychologie des Risikos und im zweiten Teil gibt er einen kleinen Wegweiser, wie man risikokompetent werden kann. Der dritte Teil ist ein Ausblick bzw. eine mögliche Weichenstellung, um unsere Kinder und deren Kinder zu risikokompetenteren Personen zu machen als wir es heutzutage sind. Die Vermittlung des Wissens gelingt Gigerenzer ganz vorzüglich, meist mittels einer gesunden Mischung aus allgemeinen Thesen, konkreten Beispielen und Schlussfolgerungen. Dabei kommt man als Laie in puncto Statistik durchaus an seine eigenen Denkgrenzen und kann der von Gigerenzer proklamierten Änderung von Prognosen in relative Häufigkeiten nur mit Mühe folgen, erkennt aber durchaus den dahinter stehenden Handlungsbedarf, um Patienten/ Kunden, aber auch die Fachleute, d.h. Ärzte, Versicherer, Broker und Banker zu einer neuen Form der Risikokommunikation und des Risikoverständnisses zu führen.

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Als ich zum ersten Mal eine Annonce für dieses Buch gelesen habe, hat ein Halbsatz meine Aufmerksamkeit erregt, der die Lektüre dieses Buches auch für die Entscheidungsfindung von Juristen empfahl. Nach erfolgter Lektüre kann ich diese Empfehlung, die sich im Übrigen weder im Klappentext des Buches, noch im Vorwort noch anderswo im Buch wiederholt hat, also nur ein Marketinginstrument gewesen zu sein scheint, nur abgeschwächt, aber für den betroffenen Teilbereich durchaus mit Nachdruck weitergeben. Im Buch selbst ist abgesehen von einem kleinen Bereich, der über die Entscheidungsfindung oberster Bundesrichter in Amerika berichtet, kein Wort von juristischen Denk- und Findungsprozessen enthalten, obwohl der Konnex nur allzu nahe läge, dazu unten. Dennoch birgt der Inhalt mehr als einen Ansatzpunkt für Juristen, um ihr Verhalten und ihre Entscheidungen zu hinterfragen. Denn der Autor beschreibt umfassend die Problematik der Risikoabschätzung in Krankheitsfällen. Damit ist der Arbeitsbereich des zivilrechtlichen Haftungsrechts, insbesondere der Arzthaftung eröffnet: wurde richtig aufgeklärt über die Risiken eines Eingriffs oder einer Therapie? Kannte der Behandelnde (!) das Risiko überhaupt zur Gänze bzw. konnte es richtig bewerten und kommunizieren? Ist für den Eintritt des Schadensfalles dann auch eine Haftung zu bejahen? Dafür benötigt der urteilende Richter - wie im Übrigen auch der zuvor behandelnde Arzt - die Kenntnis darüber, ob es sich bei der Einschätzung von Krankheit, Therapie und Genesungsprognose z.B. um ein bekanntes Risiko, wenn ja welches, oder um eine nicht quantifizierbare Ungewissheit handelt, der man sich nicht über Berechnungsmodelle, sondern allenfalls durch intelligente Faustregeln nähern kann. Wer sich über diese Grundlage nicht im Klaren ist, kann auch die Verantwortlichkeit des Arztes nicht beurteilen. Schon insofern ergibt sich also eine gute Nutzbarkeit des Werks für einschlägig tätige Juristen.

Daneben ist aber auch die eigene Herangehensweise von Juristen an ihre Materie möglicherweise mit neuen Maßstäben zu messen. Dabei geht es zum einen wiederum um die Frage, ob ich es bei der Beurteilung eines Falles mit einem bekannten Risiko zu tun habe, auf das vorbereitete Maßstäbe und Entscheidungsroutinen passen, oder ob ich es mit einer Ungewissheit zu tun habe, auf die ich nur pseudologisch meine Entscheidungsmuster projiziere, damit vielleicht zufällig zu „richtigen“ Ergebnissen komme, aber eigentlich mit verbundenen Augen Dartpfeile auf eine irgendwo hängende Scheibe werfe. Denn wenn man sich kritisch die Situation des Richter betrachtet, muss dieser aus einer Summe von Informationen eine subjektive Wahrheit herausfiltern und daraus eine objektive Wahrheit in Form einer idealerweise gerechten Entscheidung nach außen weitergeben. Manchmal stimmen diese beiden Wahrheiten überein, nämlich dann wenn der Richter sich auf definierbare Wissensquellen stützen kann (Augenschein, Urkunden etc.). Wenn er aber darauf angewiesen ist, die Wahrheitsfindung auf der Aussage von Zeugen durchzuführen, findet letztendlich eine Wertung durch den Richter statt, so sehr sich der Bundesgerichtshof auch bemüht hat, Realkennzeichen zur Aussageanalyse zu etablieren. Dieser handelt also eigentlich aufgrund von bewertenden, nicht messbaren Routinen und hinterlegt diese später mit juristischen Argumenten. Dabei kann er sich über die Richtigkeit der Zeugenaussagen gar nicht im Klaren sein, er bewertet diese ja nur als richtig oder falsch. Damit bewegt er sich eigentlich auf der Basis einer Ungewissheit und würde bei der Anwendung von Faustregeln stimmigere Ergebnisse produzieren. Aber kann man das ernsthaft als Juristerei verkaufen? Wohl kaum. Der Einwand, dass es sich eben nicht um eine berechenbare Naturwissenschaft handelt, mag schon gehört werden, aber letzten Endes darf sich auch die Justiz nicht hinter ihrem eigenen System verstecken, wenn es um die Bewertung von Entscheidungsprozessen geht.

Und noch etwas kommt dazu, worauf Gigerenzer, allerdings in anderem Kontext hinweist: die Macht und Verlässlichkeit der Intuition als Entscheidungsgrundlage. Viele erfahrene Richter „wissen“, welcher Zeuge lügt und welcher nicht. Warum ist das so? Wohl weil sie sich Bewertungsroutinen angeeignet und eine Menschenkenntnis entwickelt haben, die sie intuitiv zu einer richtigen Einschätzung bringt. Diese Form des Erkenntnisgewinns ist aber - bisher - ebenso wenig valide für ein Urteil. Stattdessen benötigt man echte „juristische“ Argumente und muss diese eben an Äußerlichkeiten und Indizien begründen. Auch hier ist der Einwand, des Bedarfs des nachvollziehbaren Urteils und des Willkürverbots richtig und wichtig. Aber bei ehrlicher Spiegelschau ist das intuitive Handeln eine der wichtigsten Erkenntnisquellen für den Richter. Nicht umsonst attestiert man manchem ein „gutes Judiz“ und das muss nicht immer zwingend vollständig mit der wortlautgetreuen Gesetzesauslegung übereinstimmen.

Insofern gibt das Buch von Gigerenzer sehr viele wichtige Denkanstöße für Juristen, sowohl für die konkrete Fallbearbeitung im Medizin- und Arzthaftungsrecht, aber umso mehr für die Selbstreflexion der eigenen Handlungen und Entscheidungen. Die Lektüre ist hervorragende Allgemeinbildung und darüber hinaus ein Selbsttest für Juristen. Absolut empfehlenswert.

geschrieben am 10.11.2013 | 896 Wörter | 5556 Zeichen

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