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Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern


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Rezension von

Dr. Benjamin Krenberger

Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern Das Zusammenspiel dreier Normen, §§ 9, 30 und 130 OWiG gehört zu den spannendsten Konstellationen im Bußgeldrecht und zeigt wie kaum andere Normen auf, wie höchst unterschiedlich dieses Rechtsgebiet in der Praxis zum Tragen kommt. Denn gerade hier besteht (neben dem Schwergewicht des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts und natürlich dem separat zu behandelnden Kartellbußgeldrecht) ein großer Anwendungsbereich im gesellschaftsrechtlichen Bußgeldrecht. Dem Grunde nach geht es um die Frage der ungehörigen Aufsicht eines Unternehmensinhabers, was im Verkehrsrecht z.B. bei Speditionen, noch einfach zu subsumieren ist. Was aber passiert, wenn es sich eben nicht mehr um Einzelunternehmen handelt? Wer ist Inhaber bzw. Rechtsträger eines Unternehmens, gegen das Maßnahmen nach § 130 OWiG ergriffen werden sollen? Minkoff greift mit seiner Dissertation, die im Jahr 2015 sogar den Fakultätspreis der Ludwig-Maximilians-Universität München erhielt, genau diese Problematik auf und widmet sich der Frage der Verantwortlichkeit von Konzernen im Sinne der Norm. Schon zu Beginn ist erfreulich, dass Minkoff den Leser ganz klar ins Bild setzt, nämlich dass das Sujet der Konzernhaftung in den letzten Jahren vermehrt in den wissenschaftlichen Fokus genommen wurde (S. 3, Fn. 12), sodass es sich bei der vorliegenden Dissertation nicht um das bislang unentdeckte Ei des Kolumbus handelt, sondern ein spezifischer Aspekt der genaueren Untersuchung harrt: welche Rechtsfragen sind bislang ungeklärt, darunter die Frage der Aufsichtspflicht der Konzernobergesellschaft, und: was passiert bei grenzüberschreitenden Sachverhalten? Mit insgesamt 316 Seiten inklusive Verzeichnissen verfügt das Werk dabei über einen gesunden Umfang, ohne dem Reiz der Vielschreiberei zu verfallen. Denn auch wenn nahezu jede juristische Dissertation über den Ruf des Speziellen nicht hinauskommt, so muss sie doch als Lektüre auch für den allgemein interessierten Leser noch zu bewältigen sein. Insofern folgt der Aufbau auch einer klassischen wissenschaftlichen Untersuchung, indem die zu untersuchende Materie von den einzelnen Teilbereichen aus angesteuert wird. Die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen werden auf gut 50 Seiten aufbereitet, wobei insbesondere die Möglichkeiten der Konzernleitung sowie die Kontroll- und Überwachungspflichten im Detail angesprochen werden. Hierbei kommt der Compliance eine große Bedeutung zu, die aber folgerichtig anfangs nur erwähnt und später (Rn. 221 ff.) genauer untersucht wird, nämlich im straf- bzw. bußgeldrechtlichen Kontext. Jedoch wird schon – pars pro toto – in diesem kurzen Unterkapitel deutlich, wie stark Minkoff die aktuelle Rechtsprechung in die Untersuchung mit einbeziehen konnte, etwa wenn es um die Pflichten der Geschäftsleitung geht (S. 50 / Rn. 97 mit entspr. Fn.). Anschließend wird ein geboten knapper Überblick über die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Konzern zusammengestellt (ca. 50 Seiten), wobei der Untreue zu Recht ein größerer Abschnitt gewidmet wurde, selbst wenn es bei der klassischen juristischen Problematik der streng auf den Einzelfall abzustellenden Verantwortlichkeit bleibt (Rn. 144). Teil 4 mit 130 Seiten ist dann der klare Schwerpunkt der Dissertation: „Der Konzern im Rahmen des § 130 OWiG“. Neben Details des Tatbestands, also der Tathandlung, der Anknüpfungstat oder des Normadressaten bringt Minkoff auch ein kurzes Kapitel zum Zusammenspiel der §§ 9, 30 und 130 OWiG unter, was für das weitere Verständnis unabdingbar ist (Rn. 204 ff.). Gut gefällt neben den typischen rechtlichen Fleißarbeiten (Rechtsnatur, Regelungszweck) der Aspekt der Relevanz der Norm im heutigen Rechtsalltag, den Minkoff wie schon erwähnt anhand des Compliance-Systems aufzieht (Rn. 221 ff.), wobei insbesondere die rechtsvergleichenden Einschübe zur Rechtslage in den USA erhellend sind (z.B. Fn. 253). Unabhängig davon wird aber am Ende konsequent auf die Norm selbst rekurriert, wenn etwa Bedenken bezüglich des Bestimmtheitsgebots zu Recht vorgetragen werden (Rn. 227). Anschließend erfolgt die Anwendung der Norm auf Konzernsachverhalte, zum einen anhand konkreter Fallbeispiele, hiernach mittels dogmatischer Begründungsansätze. Interessant ist dabei der Ansatz, Entscheidungen aus dem europäischen Kartellrecht heranzuziehen (Rn. 251 ff.), sodass bei dem Vorhandensein von Konzernstrukturen keine bloße Zurechnung erfolgt, sondern tatsächlich ein einheitliches Unternahmen angenommen werden könnte, wenngleich dies in der nationalen kartellrechtlichen Praxis bislang keinen Widerhall findet (Rn. 275). Neben anderen Teilrechtsgebieten skizziert Minkoff dann auch den Streit innerhalb von § 130 OWiG ausführlich (Rn. 278 ff.) und kulminiert dies mit einer ausführlichen eigenen Stellungnahme, die konsequent in den Vorschlag einer organisationsbasierten Inhaberschaft für die Frage der Verantwortung im Sinne des § 130 OWiG mündet (Rn. 302) und auch gegen zahlreiche Einwände verteidigt wird. Vor allem die Subsumtion zu § 9 OWiG mit der Doppelstellung von Rechtsträger und Konzernobergesellschaft klingt plausibel. Anschließend erfolgt die Anwendung auf verschiedene Konzerntypen, um die haftungsbegründende Organisationsherrschaft nachvollziehen zu können (Rn. 311 ff.). Die rechtliche Einordnung der Problematik an sich ist schon sorgfältig vorgenommen worden. Minkoff aber schlägt dann noch den Bogen zum geplanten Unternehmensstrafrecht, wo ebenfalls Grundgedanken der Haftung nach §§ 30, 130 OWiG zum Tragen kommen könnten (Rn. 365 ff.). Den Weg zurück in den Allgemeinen Teil des OWiG findet die Arbeit dann im Teil 5 zu den Grenzüberschreitenden Sachverhalten, wo etwa der Handlungsort oder auch die Bestimmung des Pflichtenkatalogs (nach welchem Recht?) maßgebende Fragestellungen sind. Auch hier wartet Minkoff mit gut nachvollziehbaren eigenen Lösungsansätzen auf. Insgesamt bleibt ein klares Fazit: es ist eine lesenswerte, gut strukturierte und klug durchdachte Monographie, die stets den Bogen zwischen Grundlagen, Spezialproblemen und praktischer Anwendung spannt – schon dies ist für eine Dissertation ungewöhnlich. Schön, wenngleich vielleicht etwas utopisch ist auch ein Gedanke im Schlusskapitel, in welchem Minkoff die Schaffung einer rechtsachtenden Unternehmenskultur, quasi als Wert an sich befürwortet, und nicht die Vermeidung von Haftung in den Fokus gerückt haben möchte. Wenn es gelänge, wäre das sehr zu begrüßen.

Das Zusammenspiel dreier Normen, §§ 9, 30 und 130 OWiG gehört zu den spannendsten Konstellationen im Bußgeldrecht und zeigt wie kaum andere Normen auf, wie höchst unterschiedlich dieses Rechtsgebiet in der Praxis zum Tragen kommt. Denn gerade hier besteht (neben dem Schwergewicht des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts und natürlich dem separat zu behandelnden Kartellbußgeldrecht) ein großer Anwendungsbereich im gesellschaftsrechtlichen Bußgeldrecht. Dem Grunde nach geht es um die Frage der ungehörigen Aufsicht eines Unternehmensinhabers, was im Verkehrsrecht z.B. bei Speditionen, noch einfach zu subsumieren ist. Was aber passiert, wenn es sich eben nicht mehr um Einzelunternehmen handelt? Wer ist Inhaber bzw. Rechtsträger eines Unternehmens, gegen das Maßnahmen nach § 130 OWiG ergriffen werden sollen? Minkoff greift mit seiner Dissertation, die im Jahr 2015 sogar den Fakultätspreis der Ludwig-Maximilians-Universität München erhielt, genau diese Problematik auf und widmet sich der Frage der Verantwortlichkeit von Konzernen im Sinne der Norm.

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Schon zu Beginn ist erfreulich, dass Minkoff den Leser ganz klar ins Bild setzt, nämlich dass das Sujet der Konzernhaftung in den letzten Jahren vermehrt in den wissenschaftlichen Fokus genommen wurde (S. 3, Fn. 12), sodass es sich bei der vorliegenden Dissertation nicht um das bislang unentdeckte Ei des Kolumbus handelt, sondern ein spezifischer Aspekt der genaueren Untersuchung harrt: welche Rechtsfragen sind bislang ungeklärt, darunter die Frage der Aufsichtspflicht der Konzernobergesellschaft, und: was passiert bei grenzüberschreitenden Sachverhalten?

Mit insgesamt 316 Seiten inklusive Verzeichnissen verfügt das Werk dabei über einen gesunden Umfang, ohne dem Reiz der Vielschreiberei zu verfallen. Denn auch wenn nahezu jede juristische Dissertation über den Ruf des Speziellen nicht hinauskommt, so muss sie doch als Lektüre auch für den allgemein interessierten Leser noch zu bewältigen sein. Insofern folgt der Aufbau auch einer klassischen wissenschaftlichen Untersuchung, indem die zu untersuchende Materie von den einzelnen Teilbereichen aus angesteuert wird. Die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen werden auf gut 50 Seiten aufbereitet, wobei insbesondere die Möglichkeiten der Konzernleitung sowie die Kontroll- und Überwachungspflichten im Detail angesprochen werden. Hierbei kommt der Compliance eine große Bedeutung zu, die aber folgerichtig anfangs nur erwähnt und später (Rn. 221 ff.) genauer untersucht wird, nämlich im straf- bzw. bußgeldrechtlichen Kontext. Jedoch wird schon – pars pro toto – in diesem kurzen Unterkapitel deutlich, wie stark Minkoff die aktuelle Rechtsprechung in die Untersuchung mit einbeziehen konnte, etwa wenn es um die Pflichten der Geschäftsleitung geht (S. 50 / Rn. 97 mit entspr. Fn.). Anschließend wird ein geboten knapper Überblick über die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Konzern zusammengestellt (ca. 50 Seiten), wobei der Untreue zu Recht ein größerer Abschnitt gewidmet wurde, selbst wenn es bei der klassischen juristischen Problematik der streng auf den Einzelfall abzustellenden Verantwortlichkeit bleibt (Rn. 144).

Teil 4 mit 130 Seiten ist dann der klare Schwerpunkt der Dissertation: „Der Konzern im Rahmen des § 130 OWiG“. Neben Details des Tatbestands, also der Tathandlung, der Anknüpfungstat oder des Normadressaten bringt Minkoff auch ein kurzes Kapitel zum Zusammenspiel der §§ 9, 30 und 130 OWiG unter, was für das weitere Verständnis unabdingbar ist (Rn. 204 ff.). Gut gefällt neben den typischen rechtlichen Fleißarbeiten (Rechtsnatur, Regelungszweck) der Aspekt der Relevanz der Norm im heutigen Rechtsalltag, den Minkoff wie schon erwähnt anhand des Compliance-Systems aufzieht (Rn. 221 ff.), wobei insbesondere die rechtsvergleichenden Einschübe zur Rechtslage in den USA erhellend sind (z.B. Fn. 253). Unabhängig davon wird aber am Ende konsequent auf die Norm selbst rekurriert, wenn etwa Bedenken bezüglich des Bestimmtheitsgebots zu Recht vorgetragen werden (Rn. 227). Anschließend erfolgt die Anwendung der Norm auf Konzernsachverhalte, zum einen anhand konkreter Fallbeispiele, hiernach mittels dogmatischer Begründungsansätze. Interessant ist dabei der Ansatz, Entscheidungen aus dem europäischen Kartellrecht heranzuziehen (Rn. 251 ff.), sodass bei dem Vorhandensein von Konzernstrukturen keine bloße Zurechnung erfolgt, sondern tatsächlich ein einheitliches Unternahmen angenommen werden könnte, wenngleich dies in der nationalen kartellrechtlichen Praxis bislang keinen Widerhall findet (Rn. 275). Neben anderen Teilrechtsgebieten skizziert Minkoff dann auch den Streit innerhalb von § 130 OWiG ausführlich (Rn. 278 ff.) und kulminiert dies mit einer ausführlichen eigenen Stellungnahme, die konsequent in den Vorschlag einer organisationsbasierten Inhaberschaft für die Frage der Verantwortung im Sinne des § 130 OWiG mündet (Rn. 302) und auch gegen zahlreiche Einwände verteidigt wird. Vor allem die Subsumtion zu § 9 OWiG mit der Doppelstellung von Rechtsträger und Konzernobergesellschaft klingt plausibel. Anschließend erfolgt die Anwendung auf verschiedene Konzerntypen, um die haftungsbegründende Organisationsherrschaft nachvollziehen zu können (Rn. 311 ff.).

Die rechtliche Einordnung der Problematik an sich ist schon sorgfältig vorgenommen worden. Minkoff aber schlägt dann noch den Bogen zum geplanten Unternehmensstrafrecht, wo ebenfalls Grundgedanken der Haftung nach §§ 30, 130 OWiG zum Tragen kommen könnten (Rn. 365 ff.).

Den Weg zurück in den Allgemeinen Teil des OWiG findet die Arbeit dann im Teil 5 zu den Grenzüberschreitenden Sachverhalten, wo etwa der Handlungsort oder auch die Bestimmung des Pflichtenkatalogs (nach welchem Recht?) maßgebende Fragestellungen sind. Auch hier wartet Minkoff mit gut nachvollziehbaren eigenen Lösungsansätzen auf.

Insgesamt bleibt ein klares Fazit: es ist eine lesenswerte, gut strukturierte und klug durchdachte Monographie, die stets den Bogen zwischen Grundlagen, Spezialproblemen und praktischer Anwendung spannt – schon dies ist für eine Dissertation ungewöhnlich. Schön, wenngleich vielleicht etwas utopisch ist auch ein Gedanke im Schlusskapitel, in welchem Minkoff die Schaffung einer rechtsachtenden Unternehmenskultur, quasi als Wert an sich befürwortet, und nicht die Vermeidung von Haftung in den Fokus gerückt haben möchte. Wenn es gelänge, wäre das sehr zu begrüßen.

geschrieben am 01.01.2017 | 871 Wörter | 5520 Zeichen

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